10.02.2015

Zu Rückschlüssen aus einem nicht abgeschlossenen Rechtsstreit zwischen Gläubiger und Schuldner hinsichtlich eines weiteren Anspruchs

Ein zwischen Gläubiger und Schuldner anhängiger Rechtsstreit, dessen Ausgang Erkenntnisse im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines (noch nicht rechtshängigen) Anspruchs gegen den Schuldner erwarten lässt, hindert nicht die Annahme, der Gläubiger habe bereits Kenntnis von den diesen Anspruch begründenden Umständen. Wird im Prozess ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, so führt dies nicht zu einer Hemmung der Verjährung des Gegenanspruchs.

BGH 7.1.2014, V ZR 309/12
Der Sachverhalt:
Im Dezember 1999 wurden von der Klägerin als Verkäuferin und den Beklagten als Käufer notarielle Kaufverträge über mehrere bereits errichtete Eigentumswohnungen geschlossen. Danach war die Klägerin verpflichtet, den Beklagten, die den Kaufpreis jeweils vorleisten sollten, eine Bankbürgschaft zu stellen, die den Regeln der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) entsprechen sollte.

Die Bürgschaften wurden gestellt und die Beklagten traten in Vorleistung. Hiernach kam es zu Unstimmigkeiten wegen Abweichungen hinsichtlich der vereinbarten Miteigentumsanteile und wegen angeblicher Mängel. Aus diesem Grund nahm der Beklagte zu 1) die Klägerin in einem 2004 angestrengten Rechtsstreit aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Beklagten zu 2) u.a. auf Rückabwicklung der Verträge im Wege des großen Schadensersatzes in Anspruch. Die Bürgin, die nunmehrige Streithelferin der Klägerin, erklärte sich den Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 24.11. für die Dauer des Vorprozesses mit einer Hemmung der Verjährung von Ansprüchen aus der Bürgschaft einverstanden.

Die Eigentumsumschreibung wurde am 10.8.2005 vollzogen. Anschließend forderte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 16.9.2005 zur Rückgabe der Bürgschaften bis zum 28.9.2005 auf und wies darauf hin, dass sie die nach Ablauf der gesetzten Frist anfallenden Avalzinsen von ihnen ersetzt verlangen werde. 2007 gab das LG der Klage im Vorprozess statt. Das OLG wies sie nachfolgend ab. Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Anschließend gaben die Beklagten die Bürgschaftsurkunden heraus.

Im Hinblick auf die ihr für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2010 in Rechnung gestellten Avalzinsen verlangt die Klägerin von dem Beklagten zu 1) Zahlung von rd. 80.000 € sowie Freistellung von ihrer Zahlungspflicht der bürgenden Bank gegenüber in Höhe weiterer rd. 40.000 €; von dem Beklagten zu 2) fordert sie Zahlung von rd. 72.000 € und Freistellung in Höhe weiterer rd. 36.000 €. Die Beklagten erhoben die Einrede der Verjährung.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Rückgabe der Bürgschaften sind jedenfalls verjährt.

Das OLG legt zutreffend zugrunde, dass die dreijährige Regelverjährung mit dem Schluss des Jahres 2005 nach § 199 Abs. 1 BGB begann und die Erwirkung des Mahnbescheids im Jahr 2009 deshalb keine verjährungshemmende Wirkung mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB entfalten konnte. Die für den Beginn der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis des Gläubigers hat es ebenfalls ohne Rechtsfehler festgestellt. Es hebt entscheidend auf das Schreiben der Klägerin vom 16.9.2005 ab, in dem die Rückgabe der Bürgschaften mit der Begründung verlangt wurde, nach der Eigentumsumschreibung sei "der Rechtsgrund für die ausgestellten Bürgschaften entfallen". Hieraus zieht das OLG den naheliegenden Schluss, dass der Klägerin neben der Person des Schuldners auch die anspruchsbegründenden Umstände bekannt waren.

Damit bestand die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis der Klägerin; denn diese ist bereits vorhanden, wenn der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist. Die Zumutbarkeit der Klageerhebung entfiel nicht deshalb, weil die Klägerin bereits einer Klage der Beklagten ausgesetzt war, mit der diese Ansprüche geltend machten, die durch die Bürgschaft gesichert waren oder sie jedenfalls zur Zurückhaltung der Bürgschaft berechtigen konnten. Von dem Ausgang dieses Rechtsstreits hing zwar ab, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen verspäteter Rückgabe der Bürgschaften aussichtsreich war. Der Wunsch des Gläubigers, den Ausgang eines Rechtsstreits mit dem Schuldner abzuwarten, um das Prozessrisiko für die Geltendmachung eines Anspruchs gering zu halten, der von derselben Vorfrage abhängig ist wie ein bereits rechtshängiger Anspruch, vermag den Lauf der Verjährung jedoch nicht zu beeinflussen.

Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Diese Kenntnis hat der Gläubiger bereits dann, wenn ihm die Geltendmachung des Anspruchs erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Der Gläubiger muss hierzu nicht alle möglicherweise relevanten Einzelumstände kennen und er muss auch nicht bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit weitestgehend risikolos führen zu können. Deshalb steht auch ein noch nicht abgeschlossener Rechtsstreit zwischen Gläubiger und Schuldner, dessen Ausgang Rückschlüsse auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines (noch nicht rechtshängigen) Anspruchs gegen den Schuldner erlaubt, nicht der Annahme entgegen, der Gläubiger habe i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bereits Kenntnis von den Umständen, die diesen Anspruch begründen.

Verjährungshemmende Tatbestände greifen vorliegend nicht ein. Durch die Einleitung des Vorprozesses ist lediglich die Verjährung der durch die Bürgschaften gesicherten (vermeintlichen) Ansprüche der Beklagten gehemmt worden. Denn die Klageerhebung hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch. Bei dieser Beurteilung bleibt es auch dann, wenn sich die Klägerin im Vorprozess hilfsweise darauf berufen haben sollte, zur Rückabwicklung der Verträge nur gegen Rückgabe der Bürgschaften verpflichtet zu sein. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess führt - anders als bei der Aufrechnung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB - nicht zu einer Hemmung der Verjährung des Gegenanspruchs.

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