07.06.2011

Zugang zum Beruf des Notars darf nicht eigenen Staatsangehörigen vorbehalten sein

Der Staatsangehörigenvorbehalt für Notare nach § 5 BNotO stellt eine nach Art. 49 AEUV verbotene Diskriminierung dar. Die notariellen Tätigkeiten sind nach ihrer gegenwärtigen Definition in der deutschen Rechtsordnung nicht i.S.v. Art. 45 Abs. 1 EG mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden.

EuGH 24.5.2011, C-54/08 u.a.
Der Sachverhalt:
Die EU-Kommission hatte gegen sechs Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Luxemburg und Österreich) Klage wegen Vertragsverletzung erhoben. Grund dafür war die Tatsache, dass in diesen Staaten der Beruf des Notars nur eigenen Staatsangehörigen vorbehalten ist. So darf nach § 5 BNotO nur ein deutscher Staatsangehöriger zum Notar bestellt werden. Nach Ansicht der Kommission sei dies eine durch den EG-Vertrag verbotene Diskriminierung.

Die betroffenen Mitgliedstaaten erkannten zwar an, dass der Notar seine Dienste in ihrem Hoheitsgebiet im Allgemeinen freiberuflich erbringt. Sie machten allerdings geltend, dass er ein an der Ausübung öffentlicher Gewalt beteiligter öffentlicher Amtsträger sei, dessen Tätigkeit von den Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ausgenommen sei. Infolgedessen musste in erster Linie die Frage geklärt werden, ob die beruflichen Tätigkeiten der Notare mit der Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.d. EG-Vertrags verbunden sind. Dieser sieht nämlich vor, dass auf Tätigkeiten, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit keine Anwendung finden.

Der EuGH gab der Vertragsverletzungsklage statt.

Die Gründe:
Die notariellen Tätigkeiten sind nach ihrer gegenwärtigen Definition in der deutschen Rechtsordnung nicht i.S.v. Art. 45 Abs. 1 EG mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Infolgedessen stellt das in der deutschen Regelung vorausgesetzte Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zum Notarberuf eine nach Art. 43 EG verbotene Diskriminierung dar.

Zwar liegt die Hauptaufgabe eines Notars als eines öffentlichen Amtsträgers in der Beurkundung von Rechtsgeschäften. Gegenstand einer Beurkundung sind allerdings Akte oder Verträge, denen sich die Parteien freiwillig unterwerfen. Das Tätigwerden des Notars setzt daher voraus, dass zuvor eine Einigung der Parteien zustande gekommen ist. Außerdem darf der Notar den von ihm zu beurkundenden Vertrag nicht ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Parteien einseitig ändern. Somit ist die Beurkundungstätigkeit der Notare nicht mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Dass in bestimmten Fällen eine Beurkundung zwingende Voraussetzung ihrer Wirksamkeit ist, stellt dieses Ergebnis nicht in Frage, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass die Gültigkeit verschiedener Akte Formerfordernissen oder zwingenden Validierungsverfahren unterliegt.

Selbst die Teilnahme an Immobiliarpfändungen oder das Tätigwerden in Nachlasssachen sind nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Die meisten dieser Tätigkeiten werden nämlich unter Aufsicht eines Gerichts oder im Einklang mit dem Willen der Klienten ausgeübt.

Letztlich führen Notare ihren Beruf in den Grenzen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeiten unter Wettbewerbsbedingungen aus, was für die Ausübung öffentlicher Gewalt untypisch ist. Überdies sind sie ihren Klienten gegenüber unmittelbar und persönlich verantwortlich für alle Schäden, die aus einem Fehlverhalten bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten resultieren, während für behördliches Fehlverhalten der Staat haftet.

Hintergrund:
Stellt der EuGH eine Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen. Ist die EU-Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der EuGH auf Vorschlag der EU-Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 50 v. 24.5.2011
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