20.04.2012

Zulassung zum Fachanwalt: Anerkennung der Tätigkeit eines anwaltlichen freien Mitarbeiters

An anwaltlicher Tätigkeit kann grundsätzlich nicht gezweifelt werden, wenn der zugelassene Rechtsanwalt, der in einem Angestelltenverhältnis zu einem Rechtsanwalt steht oder für einen solchen in freier Mitarbeit tätig wird, Mandate bearbeitet, indem er Schriftsätze verfasst und Gerichtstermine wahrnimmt. Etwas anderes würde etwa gelten, wenn er nach strikten Vorgaben sowie unter strikter Anleitung und Ergebniskontrolle zu arbeiten hätte, mithin ihm keinerlei eigener Entscheidungsspielraum zustünde.

BGH 10.10.2011, AnwZ (Brfg) 7/10
Der Sachverhalt:
Der seit Juni 2004 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Kläger betreibt eine eigene Kanzlei. Außerdem ist er in freier Mitarbeit für die Rechtsanwälte Dr. W. und Ku. tätig. Im Dezember 2008 beantragte er bei der Beklagten, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" zu gestatten. Eine anwaltliche Tätigkeit (§ 3 FAO), besondere theoretische Kenntnisse (§ 4 Abs. 1 S. 1, 2, § 12 FAO) sowie die Erfüllung der Fortbildungspflicht (§ 4 Abs. 2, § 15 FAO) wies er nach.

Zum Nachweis der Voraussetzungen des § 5 S. 1e FAO legte der Kläger drei Falllisten mit insgesamt 121 Fällen vor. Fallliste I betraf Mandate des Rechtsanwalts Dr. W. , Fallliste II Mandate des Rechtsanwalts Ku. , Fallliste III eigene Mandate. Einer Aufforderung der Beklagten entsprechend legte der Kläger anwaltliche Versicherungen der genannten Rechtsanwälte vor, in denen unter Bezugnahme auf die Falllisten I bzw. II jeweils zum Ausdruck gebracht war, dass der Kläger die dort aufgeführten Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet habe.

Die Beklagte wies den Antrag des Klägers ab. Der Kläger habe hinsichtlich der Falllisten I und II nicht nachgewiesen, die geforderten Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet zu haben. Der Anwaltsgerichtshof wies die hiergegen gerichtete Klage ab und ließ die Berufung nicht zu. Die Tätigkeit des Klägers sei zwar eine juristische gewesen, der auch die fachliche Durchdringung nicht abgesprochen werden solle; sie sei aber nicht die eines Rechtsanwalts, sondern die eines Sachbearbeiters gewesen, der im Hintergrund die Arbeit des verantwortlichen Rechtsanwalts nur vorbereite.

Auf Antrag des Klägers ließ der BGH die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs zu und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Beklagte hat dem Kläger die Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung für Familienrecht zu Unrecht versagt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Anwaltsgerichtshofs wurde die in der Eigenschaft als Rechtsanwalt vorgenommene persönliche und weisungsfreie Bearbeitung (§ 5 S. 1 Hs. 1 FAO) der in den Falllisten I und II aufgeführten Fälle hinreichend nachgewiesen. Der erbrachte Nachweis wurde durch die Ergebnisse der Beklagten sowie vom Anwaltsgerichtshof nicht durchgreifend erschüttert. Dass danach Schriftsätze fast ausnahmslos von den mandatierten Rechtsanwälten unter deren Briefkopf unterzeichnet worden waren, wobei sich überwiegend keine eindeutig auf die Urheberschaft des Klägers hinweisenden Diktatzeichen gefunden hatten, stand der Annahme des Nachweises persönlicher Bearbeitung im Hinblick auf die vorgelegten anwaltlichen Versicherungen nicht grundsätzlich entgegen.

Die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, die Tätigkeit des Klägers habe sich auf eine völlig untergeordnete "Zuarbeit" beschränkt, stand ferner nicht mit den von ihm getroffenen Feststellungen in Einklang. Denn der Kläger hatte danach vielfach Gerichtstermine wahrgenommen. Außerdem wurde entsprechend der anwaltlichen Versicherungen nachgewiesen, dass der Kläger die ihm von den Rechtsanwälten Dr. W. und Ku. überwiesenen Verfahren "weisungsfrei als Rechtsanwalt" bearbeitet hatte.

Auch die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, der Kläger habe im Rahmen seiner in freier Mitarbeit verrichteten Tätigkeit nicht gem. § 5 S. 1 Hs. 1 FAO "als Rechtsanwalt" gehandelt, hielt rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Merkmal anwaltlicher Tätigkeit dient der Abgrenzung zu Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt in anderen Funktionen, insbesondere für nicht anwaltliche Arbeitgeber ausübt, wobei in der bisherigen Rechtsprechung den Hauptfall der Syndikusanwalt bildet. Danach ist an anwaltlicher Tätigkeit grundsätzlich nicht zu zweifeln, wenn der zugelassene Rechtsanwalt, der in einem Angestelltenverhältnis zu einem Rechtsanwalt steht oder für einen solchen in freier Mitarbeit tätig wird, Mandate bearbeitet, indem er - wie hier - Schriftsätze verfasst und Gerichtstermine wahrnimmt.

Unter welchen Voraussetzungen es bei im Angestelltenverhältnis oder in freier Mitarbeit tätigen Rechtsanwälten am Merkmal der "Weisungsfreiheit" fehlen kann, musste der Senat nicht klären. Anlass zu Zweifeln würde aber etwa dann bestehen, wenn der angestellte oder in freier Mitarbeit tätige Rechtsanwalt nach strikten Vorgaben sowie unter strikter Anleitung und Ergebniskontrolle zu arbeiten hätte, mithin ihm keinerlei eigener Entscheidungsspielraum zustünde. Davon war hier jedoch nicht auszugehen.

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BGH online u. BRAK-Mitt. 2/2012
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