29.03.2011

Zum Anspruch des Eigentümers eines entwendeten Kfz auf Ausgleich von Schäden durch eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme

Der Eigentümer eines entwendeten Kfz, das aufgrund einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme beschädigt wurde, kann nicht grundsätzlich Ausgleich dieser Schäden verlangen. Sieht das betreffende Landespolizeigesetz keine ausdrückliche Regelung für einen Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch in solchen Fällen vor, so besteht ein Anspruch nur, wenn der Schaden für den Geschädigten ein unzumutbares Sonderopfer darstellt.

BGH 3.3.2011, III ZR 174/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt vom beklagten Land den Ausgleich von Schäden, die anlässlich eines Polizeieinsatzes an einem ihm zuvor entwendeten Pkw entstanden sind. Der Kläger ist selbständiger Autohändler. In der Nacht auf den 19.10.2006 wurden bei einem Einbruch in seine Geschäftsräume ein Autoschlüssel und der dazu gehörige Pkw VW Touran entwendet. Das Fahrzeug wurde in die Niederlande verbracht und dort mit niederländischen Kennzeichen versehen. Im November 2006 reisten der Täter und ein weiterer Mittäter mit dem Fahrzeug in die Bundesrepublik ein und begingen mehrere Einbruchdiebstähle.

Am 8.11.2006 wurden sie bei einem Einbruchdiebstahl auf dem Gelände eines Autohauses entdeckt. Die Polizei nahm mit mehreren Streifenwagen unter der Inanspruchnahme von Sonderrechten die Verfolgung auf und versuchte, die flüchtenden Täter durch Errichtung einer Straßensperre zum Anhalten zu bewegen. Nachdem dies zweimal misslungen war, brachten die Polizeibeamten das von den Tätern benutzte Fahrzeug durch kontrolliertes Rammen zum Anhalten. Erst anschließend wurde festgestellt, dass es sich bei dem Fluchtfahrzeug um das gestohlene Fahrzeug des Klägers handelte.

An dem Fahrzeug entstand durch die Aktion der Polizeibeamten - unter Einschluss aufgewendeter Gutachterkosten von 977 € - ein Schaden von 12.742 €. Aus dem sichergestellten Vermögen der Täter erhielt der Kläger 6.650 €. Der weitergehende Schaden von 6.092 €, der bei den Tätern nicht einbringlich ist, ist Gegenstand der Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die Täter gerichteten Schadensersatzansprüche erhobenen Klage.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass nach § 80 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG ein Schaden "infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 8" entstanden sein muss. Die Bestimmungen der §§ 6 bis 8 Nds. SOG gehen davon aus, dass wegen einer Gefahr Maßnahmen gegen eine (verantwortliche oder nichtverantwortliche) Person zu richten sind. Das waren in der vorliegenden Situation die Täter, die nach § 6 Nds. SOG als Verhaltensstörer von der Polizei in Anspruch genommen wurden. Dass die Polizei, worauf die Revision entscheidend abstellen will, durch kontrolliertes Rammen, also gezielt, auf das Fahrzeug des Klägers eingewirkt hat, bedeutet nicht, dass sie den Kläger nach § 7 Nds. SOG als Zustandsstörer oder nach § 8 Abs. 1 Nds. SOG als nichtverantwortliche Person in Anspruch genommen hätte.

Der Kläger ist vielmehr unbeteiligter Dritter i.S.d. Polizeirechts. Denn er ist weder Verhaltens- noch Zustandsstörer noch hat ihn die Polizei als Nichtverantwortlichen unter den besonderen, engeren Eingriffsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen. Einige Polizeigesetze der Länder sehen ausdrücklich einen Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch vor, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet (vgl. Art. 70 Abs. 2 BayPAG, § 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Bln, § 73 SOG M-V, § 222 LVwG SH; vgl. auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG). Fehlt es - wie hier in § 80 Nds. SOG - an einer ausdrücklichen Regelung, folgt hieraus aber nicht, dass ein unbeteiligter Geschädigter die nachteiligen Auswirkungen einer rechtmäßigen Maßnahme entschädigungslos hinnehmen müsste.

Die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder gehen auf den aus § 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten entwickelten und von § 70 Preuß. PVG aufgenommenen Aufopferungsgedanken zurück, dass bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, die für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sind, ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat gegeben ist. Die Würdigung des OLG, der Kläger habe vorliegend durch das gezielte Rammen seines Fahrzeugs kein unzumutbares Sonderopfer erlitten, hält allerdings der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.

Bereits durch den Diebstahl war ohne Zutun der Polizei eine Situation entstanden, in der das Eigentumsrecht des Klägers erheblich beeinträchtigt war. Es war in Frage gestellt, ob der Kläger jemals wieder in den Besitz des Fahrzeugs gelangen würde. Darüber hinaus bestand auch die gesteigerte Gefahr, dass der Dieb oder ein sonstiger unberechtigter Fahrer das Fahrzeug ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers gebrauchen würde. Diese Gefahr hatte sich bereits vor dem Rammen des Fahrzeugs verwirklicht, da der Täter ein rücksichtsloses, nicht nur Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch das Eigentum des Klägers gefährdendes Fahrverhalten an den Tag gelegt und so das Rammen (als ultima ratio) herausgefordert hatte.

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