17.06.2014

Zum Beweis des ersten Anscheins im Hinblick auf Leitungswasserschäden in Wohnungen anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dies kann grundsätzlich auch bei der Feststellung von Ursachen für Leitungswasserschäden in Wohnungen anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten in Betracht kommen.

BGH 10.4.2014, VII ZR 254/13
Der Sachverhalt:
Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Werkvertrag zwischen diesem und seinem Versicherungsnehmer auf Grund eines Wasserschadens aus übergegangenem Recht in Anspruch.

Der Beklagte baute im Wohnzimmer des Anwesens des Versicherungsnehmers eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenestrichelemente ein und verließ anschließend die Baustelle. Zwei Tage später verlegte er das Parkett. Weitere vier Tage später stellte der Versicherungsnehmer aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers fest. Ursächlich hierfür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenestrich verlaufendes, wasserführendes Heizungsrohr beschädigt hatte. Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe der Klageforderung.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Das LG hat die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt.

Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist.

Das LG hat nicht erwogen, ob es eine solche Typizität des Geschehensablaufes im vorliegenden Fall gibt. Es hat insbes. nicht überprüft, ob Estrich- und Parkettleger abgebrochene oder lose Teile einer Trockenestrichplatte üblicherweise mit Nägeln oder in vergleichbarer Art im Boden fixieren, bevor sie auf ihnen das Parkett verlegen. In diesem Fall würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Nagel von den Mitarbeitern des Beklagten eingeschlagen wurde. Das LG war von dieser Prüfung auch nicht durch die von ihm zitierte Rechtsprechung des BGH zur Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht enthoben.

Der BGH hat in früheren Entscheidungen die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht entgegen der Ansicht des LG nicht in dem Sinne beschränkt, dass der Gläubiger "bei Abwicklung des Vertrages geschädigt" worden sein müsse und diese Voraussetzung zudem in den Fällen verneint werden müsse, in denen der Schaden nicht "in Ausführung der Tätigkeit" entstanden sei, was bedeute, dass der Anscheinsbeweis immer dann ausscheide, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt liege.

Im Gegenteil ist der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade die Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischem Geschehensablauf wahrscheinlichen Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen. Seine Anwendung ist durch zeitliche Zäsuren von mehreren Tagen oder sogar Wochen nicht gehindert.

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