21.06.2013

Zum Mitverschulden des Auftraggebers - Steilküstenabbruch auf Rügen

Wenn sich dem Auftraggeber aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen muss, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstößt er regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben durchführt. Den Auftraggeber trifft dann ein Mitverschulden.

BGH 20.6.2013, VII ZR 4/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks an der Steilküste von Rügen. Sie plante u.a., einen dort vor mehreren Jahrzehnten errichteten Altbau zu sanieren. Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Baugrundgutachten empfahl jedoch, dort einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor zu belassen. Der von der Klägerin beantragte Bauvorbescheid wurde abgelehnt, weil die Standsicherheit des Hanges in diesem Bereich nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde dann im Oktober 2001 mit der Auflage erteilt, am Standort des Altbaus genauere Bodenuntersuchungen vorzunehmen.

Die Klägerin beauftragte die Beklagten - eine Architektengesellschaft und der Statiker - mit der Umsetzung des Bauvorhabens. Diese unterließen es allerdings, die genaueren Bodenuntersuchungen vorzunehmen. Ende 2003 war das Sanierungsvorhaben fertiggestellt. Im März 2005 brach ein großes Stück der Steilküste weg. Der unmittelbar an der Abbruchstelle gelegene Altbau durfte daraufhin nicht mehr genutzt werden. Später musste das Gebäude sogar abgerissen werden.

Die Klägerin verlangte von den Beklagten in erster Linie Schadensersatz i.H.v. rund 2.9 Mio. €. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab dem Schadensersatzanspruch dem Grunde nach uneingeschränkt statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Zwar hatten die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt. So hatten sie es zum einen unterlassen, die Risiken eines möglichen Steilhangabbruchs mit der Klägerin zu erörtern. Denn auch, wenn die Klägerin die tatsächlichen Umstände kannte, aus denen sich die Gefährdung ergab, gestatte dies nicht den Schluss, dass sie deren gesamte Tragweite zutreffend bewertet hat. Zum anderen hatten die Beklagten die gebotenen weiteren Baugrunduntersuchungen nicht veranlasst.

Das Berufungsgericht muss im weiteren Verfahren feststellen, ob sich die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten für das Bauvorhaben entschieden hätte, wobei es maßgeblich auf die Sichtweise ankommt, bevor sich das Risiko realisierte. Dabei kommt der Klägerin eine Beweislastumkehr zugute.

Sollte das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach erneut bejahen, ist jedoch ein Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen. Denn wenn sich dem Auftraggeber, wie hier, aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen muss, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstößt der Auftraggeber regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben durchführt.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 105 vom 20.6.2013
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