03.12.2013

Zum Vergütungsanspruch des die Berufung nur einlegenden (nicht begründenden) Rechtsanwalts nach Kündigung durch den Mandanten

Lehnt der Rechtsanwalt aufgrund der von ihm auftragsgemäß vorzunehmenden, inhaltlich zutreffenden Rechtsprüfung die Begründung einer Berufung ab, die dann nach Kündigung des Mandats durch den Mandanten von einem anderen Anwalt vorgenommen wird, so verliert er nicht seinen Vergütungsanspruch. Der Anwalt hat von der Durchführung eines erfolglosen Rechtsmittels ebenso abzuraten, wie von der Führung eines von vorneherein aussichtslosen Rechtsstreits.

BGH 26.9.2013, IX ZR 51/13
Der Sachverhalt:
Der Beklagte erhob im Jahre 2008 gegen eine Rechtsanwältin, welche ihn in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, Klage wegen fehlerhafter Beratung. Das LG wies die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der geltend gemachte Beratungsfehler sei nicht nachgewiesen worden. Der Beklagte betraute daraufhin den Kläger mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Berufungsverfahren. Dieser legte Berufung ein und kam bei der anschließenden Prüfung der Erfolgsaussichten zu dem Ergebnis, der Beklagte werde auch im Berufungsrechtszug die gebotenen Nachweise für einen Beratungsfehler nicht erbringen können.

Dies teilte der Kläger dem Beklagten in einer Besprechung am 16.4.2010 mit. In einem dem Beklagten am selben Tag elektronisch übermittelten Schreiben fasste der Kläger den Besprechungsinhalt schriftlich zusammen und bat den Beklagten um Mitteilung, ob die Berufung zurückgenommen werden solle. Er führte weiter aus, sollte er keine Mitteilung erhalten, werde er die Berufung nicht begründen. Sie würde dann verworfen werden. Am Nachmittag des 16.4.2010 suchte der Beklagte in einer anderen Angelegenheit Rechtsanwalt K auf. Hierbei legte er ihm das Schreiben des Klägers vor und erklärte, nach seinem Eindruck wolle ihn der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr vertreten.

Auf telefonische Nachfrage wiederholte der Kläger gegenüber Rechtsanwalt K seine Ansicht zu den fehlenden Erfolgsaussichten und riet aus Kostengründen, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Zusammenhang äußerte der Kläger, er könne die Berufung nicht begründen; aussichtslose Sachen mache er nicht. Daraufhin teilte Rechtsanwalt K mit, der Beklagte habe ihn beauftragt, das Mandat zu übernehmen. Er bestellte sich zum neuen Prozessbevollmächtigten, kündigte mit Schreiben vom 19.4.2010 das alte Mandatsverhältnis mit sofortiger Wirkung und begründete die Berufung. Diese wurde mit einstimmigem Beschluss des OLG im Mai 2011 zurückgewiesen.

Das AG gab der Klage, mit der der Kläger seinen Vergütungsanspruch für die Vertretung im Berufungsverfahren geltend macht, statt. Das LG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen die Gebühren für die Vertretung im Berufungsrechtszug nach § 628 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Die Voraussetzungen für einen Fortfall des Vergütungsanspruchs gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB liegen nicht vor.

§ 628 Abs. 1 BGB regelt die Frage, in welchem Umfang dem Anwalt nach der außerordentlichen Kündigung gem. § 627 BGB Honoraransprüche gegen seinen Mandanten zustehen. Danach kann der Dienstverpflichtete grundsätzlich einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Demnach verblieben dem Kläger die bereits mit der Berufungseinlegung angefallenen Gebühren in voller Höhe (§§ 2, 13 RVG, Nr. 3200 VV). Hat der Dienstverpflichtete aber durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Auftraggebers veranlasst, so steht ihm gem. § 628 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB ein Anspruch auf die Vergütung nicht zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben. Dem Beklagten ist es vorliegend nicht gelungen, die Voraussetzungen dieser Einwendung darzulegen und zu beweisen.

Ein vertragswidriges, die Kündigung des Vertragspartners veranlassendes Verhalten i.S.v. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB setzt eine schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht voraus. Vorliegend ist dem Kläger eine solche Vertragsverletzung nicht vorzuwerfen. Der Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die daran anknüpfende Empfehlung, das Rechtsmittel zurückzunehmen, sind nicht zu beanstanden. Der Hinweis entsprach der Prozesslage, und die Empfehlung diente der Kostenminderung im Interesse des Beklagten. Hiermit kam der Kläger seinen mandatsbezogenen Verpflichtungen nach, zumal er einen ausdrücklichen Prüfauftrag erhalten hatte. Der Anwalt hat von der Durchführung eines erfolglosen Rechtsmittels ebenso abzuraten, wie von der Führung eines von vorneherein aussichtslosen Rechtsstreits.

Nicht gefolgt werden kann dem LG in seiner Auffassung, der Kläger habe die Kündigung des Klägers vertragswidrig provoziert. Der vom Kläger während des Telefongesprächs am 16.4.2010 vertretene Standpunkt und seine hierzu vorgetragenen Argumente lassen ein vertragswidriges Verhalten des Klägers gleichfalls nicht erkennen. Nach dem Grundsatz der Vermutung beratungskonformen Verhaltens konnte der Kläger bei Mandatserteilung davon ausgehen, der Beklagte werde bei inhaltlich zutreffender Rechtsprüfung den sich hieraus ergebenden Empfehlungen auch folgen. Dies bedeutet hier, dass der Kläger annehmen konnte, er werde nicht wider bessere Überzeugung eine aussichtslose Berufung begründen müssen. Für einen Rechtsanwalt ist dies insbes. im Hinblick auf sein Selbstverständnis als unabhängiges Organ der Rechtspflege und auf sein Ansehen in der Öffentlichkeit auch nicht zumutbar.

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