14.04.2015

Zur Anwendbarkeit des § 204 Abs. 2 S. 2 BGB

Ein zur Unanwendbarkeit des § 204 Abs. 2 S. 2 BGB führender triftiger Grund liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Gläubiger nach einer Bezifferung seiner Schadensersatzansprüche im Mahnverfahren zur Reduzierung seines Prozessrisikos diese Ansprüche im Streitverfahren nicht in voller Höhe geltend macht, um das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens abzuwarten.

BGH 26.3.2015, VII ZR 347/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Mängeln der Bauleistung nach Kündigung des zwischen den Parteien am 24.6.2003 geschlossenen Bauvertrages über die Errichtung eines Bürogebäudes. Soweit für die Revision noch von Interesse, begehrt sie einen Betrag von 19.000 € für die fehlerhafte Holzunterkonstruktion des vom Beklagten neu zu errichtenden Obergeschosses.

Nachdem es im Juli 2004 zum wiederholten Male zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, erklärte der Beklagte im August 2004 die fristlose Kündigung des Vertrages. Mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2004 nahm die Klägerin den Beklagten auf Erstattung einer Überzahlung in Anspruch. Wegen der von ihr behaupteten Mängel der Bauleistung beantragte die Klägerin zunächst einen Mahnbescheid über einen Betrag von rd. 98.000 €. Der Mahnbescheidsantrag ging am 27.12.2007 bei Gericht ein.

Mit Anspruchsbegründung vom 29.1.2009 leitete die Klägerin Forderungen i.H.v. rd. 43.000 €, darunter 8.000 € als "mindestens" erforderliche Kosten für die Beseitigung der Mängel der Holzunterkonstruktion, in das streitige Verfahren über. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erweiterte die Klägerin ihre Klage mit am 1.6.2011 beim LG eingegangenem Schriftsatz auf rd. 64.000 €, davon 19.000 € für die Mangelbeseitigung der Holzunterkonstruktion. Der Beklagte erhebt insoweit die Einrede der Verjährung.

Das LG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 61.000 € nebst Zinsen. Das OLG gab der Klage teilweise statt und reduzierte den von dem Beklagten zu zahlenden Betrag auf rd. 46.000 € nebst Zinsen, darunter 19.000 € für die mangelhafte Holzunterkonstruktion. Der Senat ließ die Revision zugunsten des Beklagten insoweit beschränkt zu, als das OLG ihn über einen Betrag von 8.000 € nebst Zinsen hinaus zur Zahlung weiterer 11.000 € nebst Zinsen für die mangelhafte Holzunterkonstruktion verurteilt hat. In diesem Umfang erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Der BGH hob die Urteile von LG und OLG auf, gab der Klage der teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 35.000 € nebst Zinsen.

Die Gründe:
Entgegen der Annahme des OLG ist ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Zahlung des erst mit der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Betrages von 11.000 € für die mangelhafte Holzunterkonstruktion verjährt.

Rechtsfehlerhaft hat das OLG angenommen, dass § 204 Abs. 2 S. 2 BGB hinsichtlich des mit der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Betrages von 11.000 € für die mangelhafte Holzunterkonstruktion keine Anwendung finde. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH § 204 Abs. 2 S. 2 BGB unanwendbar sein, wenn für das Untätigbleiben des Gläubigers ein triftiger Grund vorliegt. Triftige Gründe sind danach etwa das Abwarten des Ausgangs eines einschlägigen Strafverfahrens, das Zuwarten im Deckungsprozess auf den Ausgang des Haftungsprozesses oder das Ruhen des Verfahrens zur Beschaffung von Beweisen. Ein solcher triftiger Grund liegt hier entgegen der Ansicht des OLG nicht vor.

Er ist nicht darin zu sehen, dass die Klägerin für die Bezifferung ihres gesamten Anspruchs hinsichtlich der mangelhaften Holzunterkonstruktion noch das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens abwarten wollte und daher "aus Vorsicht" zunächst nur einen Mindestschaden von 8.000 € eingeklagt hat. Diese Auffassung des OLG steht auch mit der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen eine Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 2 S. 2 BGB endet, nicht in Einklang. Danach ist ein zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führender triftiger Grund für das Nichtbetreiben des Verfahrens etwa dann nicht gegeben, wenn eine Partei, ohne dass besondere Umstände vorliegen, lediglich wegen außergerichtlicher Verhandlungen der Parteien das Verfahren nicht weiter betreibt. Ein triftiger Grund für das Nichtbetreiben des Verfahrens liegt auch dann nicht vor, wenn eine Partei lediglich aus prozesswirtschaftlichen Erwägungen den Ausgang eines Musterprozesses abwartet.

Hier gilt nichts anderes. Ebenso wie in den Fällen, in denen die Parteien den Ausgang eines Musterprozesses abwarten wollen, bevor sie das Verfahren weiter betreiben, dient auch in der vorliegenden Fallgestaltung, bei der die Klägerin nach Bezifferung ihrer Ansprüche im Mahnverfahren auf eine volle Bezifferung dieser Ansprüche im Streitverfahren zunächst verzichtet, das Nichtbetreiben des Verfahrens ausschließlich der Reduzierung des Prozessrisikos der Partei. Das rechtfertigt es nicht, dass trotz Nichtbetreibens des Verfahrens hinsichtlich der noch nicht geltend gemachten Ansprüche die Hemmung der Verjährung aufrecht erhalten bleibt, und zwar auch dann nicht, wenn wie hier noch ein Sachverständigengutachten zur Mängelfrage eingeholt wird. Kann der Kläger seinen Anspruch noch nicht abschließend beziffern, so ist es ihm regelmäßig möglich und zuzumuten, eine Feststellungsklage zu erheben oder eine Leistungsklage mit einer Feststellungsklage zu verbinden.

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