12.01.2015

Zur Ausgangskontrolle fristgebundener Anwaltsschriftsätze

Hinsichtlich der Ausgangskontrolle fristgebundener Anwaltsschriftsätze ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird.

BGH 9.12.2014, VI ZB 42/13
Der Sachverhalt:
Dem Kläger wurde das klageabweisende Urteil des LG am 9.7.2013 zugestellt. Gegen dieses Urteil legte er rechtzeitig Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 9.9.2013, der am 10.9.2013 beim OLG einging, beantragte er, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9.10.2013 zu verlängern. Das OLG verlängerte die Frist mit Verfügung vom 11.9.2013 antragsgemäß. Vor Zugang dieser Verfügung beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 16.9.2013, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren. Im selben Schriftsatz beantragte er nochmals, die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 9.10.2013 zu verlängern. Mit Verfügung vom 19.9.2013 verlängerte das OLG die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21.10.2013. Die Berufungsbegründung ging am 14.10.2013 bei Gericht ein.

Der Kläger macht geltend, seine Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwältin K, habe den Fristverlängerungsantrag bereits in der Woche vor dem Fristablauf diktiert und mit der Begleitverfügung versehen, dass dieser Schriftsatz am 9.9.2013 ausgefertigt, ihr zur Unterschrift vorgelegt und fristwahrend vom Sekretariat gefaxt werden solle. Die Rechtsanwaltsfachangestellte B habe den Schriftsatz am Freitag, dem 6.9.2013, mit Datum 9.9.2013 ausgefertigt und Rechtsanwältin K, die an jenem Tag Urlaub gehabt habe, in einer Unterschriftsmappe auf den Schreibtisch gelegt. Völlig unvorhersehbar sei Rechtsanwältin K am Morgen des 9.9.2013 aufgrund einer akuten Erkrankung in ihrer Wohnung zusammengebrochen und befinde sich seither im Koma. Hiervon habe man in der Anwaltskanzlei am 9.9.2013 noch keine Kenntnis gehabt.

B habe zunächst geglaubt, Rechtsanwältin K werde im Laufe des Tages im Büro erscheinen. Gegen 18 Uhr habe B das Büro verlassen und dabei sowohl die in der vorliegenden Sache zu wahrende Frist als auch die in dem Büro von Rechtsanwältin K liegende Unterschriftenmappe vergessen. Das Büro von Rechtsanwältin K sei von außen nicht einsehbar, weshalb ihr die Mappe im Laufe des Tages nicht mehr aufgefallen sei. Aus diesem Grund habe sie auch keinen anderen Rechtsanwalt auf die Fristsache angesprochen, obwohl sie für solche Fälle allgemein angewiesen sei, die kanzleiintern zuständige Rechtsanwältin anzurufen. Die Büroorganisation sei generell so geregelt, dass eine Fristversäumung weitestgehend ausgeschlossen sei. Es gebe feste Fristenregelungen, wonach diejenige Bürokraft, die konkret mit der Fristenwahrung beauftragt sei, bis zur vollständigen Erledigung die Vorgänge der Fristwahrung überwache und diese erst dann als erledigt austrage. Diese Bürokraft sei auch für eine Fristenkontrolle am Ende des Tages zuständig.

Das OLG wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück, weil es nicht den Anforderungen des § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO entspreche. Der Kläger habe die versäumte Prozesshandlung nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt. Die irrtümlich bewilligte Fristverlängerung für die Einreichung der Berufungsbegründung sei unwirksam und habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Es kann offenbleiben, ob dem Kläger, der seine Berufungsbegründung erst am 14.10.2013 und damit nach Ablauf der für die Nachholung der versäumten Prozesshandlung geltenden einmonatigen Frist des § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO eingereicht hat, ein Verschulden an der Versäumung dieser Frist angelastet werden kann oder ihm wegen der irreführenden Fristverlängerung durch das OLG vom 19.9.2013 Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist des § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO zu gewähren wäre. Das OLG hat dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Der Kläger hat nicht dargetan, dass seine Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist.

Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird.

Der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden. Der Kläger hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass eine Kanzleianweisung besteht, aufgrund derer Rechtsmittelfristen in einen Fristenkalender einzutragen und erst zu streichen sind, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist. Ebenso wenig ist eine Anordnung der Prozessbevollmächtigten dargetan, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird. Diese unzureichende Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers war auch kausal für die Fristversäumung.

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