22.06.2011

Zur Ausgleichspflicht bei vorzeitigem Rentenbezug unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags

Wählt der ausgleichspflichtige Ehegatte nach der Scheidung den vorzeitigen Rentenbezug unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags, so errechnet sich der für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ausgleichsbetrag aus der ungekürzten Altersrente, die er ohne Abschlag mit dem Erreichen der Altersgrenze bezogen hätte. Die Bewertung eines in der Ehezeit erworbenen Anrechts richtet sich nach dem Stichtagsprinzip, nach dem grundsätzlich der bei Ehezeitende erreichte Wert entscheidend ist.

BGH 18.5.2011, XII ZB 127/08
Der Sachverhalt:
Die Jahrgang 1946 geborene Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Jahrgang 1947 geborenen Antragsgegners. Aus der Ehe gingen zwei inzwischen voll-jährige Kinder hervor. Die Scheidung erfolgte nach rund 25 Ehejahren.

Der Ehemann erwarb während der Ehezeit Anrechte beim Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern. Die bis zum Ehezeitende erworbene Versorgungsanwartschaft gewährte dem Ehemann ein Anrecht auf eine Altersrente i.H.v. rund 1.011 € nach dem Ablauf seines 65. Lebensjahres. Nach Zustellung des Scheidungsantrags im April 2007 beantragte der Ehemann die Gewährung der vorzeitigen Altersrente ab 60 Jahre. Insofern bezog er ab Juli 2007 eine um einen Abschlag von 23,13 % verminderte Altersrente i.H.v. 809 €. Daneben übt er weiterhin seinen Beruf als Rechtsanwalt aus.

Die Ehefrau erwarb während der Ehezeit eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 110 €. Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs hatte das FG die Rente von 809 € zugrundegelegt, die der Ehemann unter Berücksichtigung des Abschlags wegen vorzeitiger Inanspruchnahme tatsächlich bezieht. Auf die Beschwerde der Ehefrau legte das OLG hingegen die Rente ohne Abschlag i.H.v. 1.011 € zugrunde.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Ehemanns blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Ausgleichsbetrag errechnete sich aus der (fiktiven) ungekürzten Altersrente des Ehemannes ab Vollendung des 65. Lebensjahres.

Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 lit. b BGB - dem die Rechtsanwaltsversorgung der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern unterfällt - ist als Wert der auszugleichenden Versorgung der Teilbetrag der bestimmungsmäßigen Rente oder Leistung zugrunde zu legen, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden, bei der Ermittlung dieser Rente oder Leistung zu berücksichtigenden Zeit zu deren voraussichtlicher Gesamtdauer bis zur Erreichung der für das Ruhegehalt maßgeblichen Altersgrenze entspricht. Wählt der ausgleichspflichtige Ehegatte nach dem Ende der Ehezeit den vorzeitigen Rentenbezug unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags, errechnet sich der für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ausgleichsbetrag aus der ungekürzten Altersrente, die er ohne Versorgungsabschlag mit dem Erreichen der Altersgrenze bezogen hätte.

Die Bewertung eines in der Ehezeit erworbenen Anrechts richtet sich nach dem Stichtagsprinzip, nach dem grundsätzlich der bei Ehezeitende erreichte Wert entscheidend ist. Das Stichtagsprinzip findet seinen Ausdruck in § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB. Zu einer Verkürzung des Ausgleichswerts könnte nur eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente noch während der Ehezeit führen, da in der Regel angenommen werden kann, dass diese auch dem Ausgleichsberechtigten zugute kommt. Zwar können seit Einführung des Abänderungsverfahrens nach § 10 a VAHRG auch nachehezeitliche, auf individuellen Verhältnissen beruhende Änderungen, die einen anderen Ehezeitanteil des Anrechts ergeben, bereits bei der Erstentscheidung berücksichtigt werden, um ein späteres Abänderungsverfahren zu vermeiden. Für die Höhe einer Versorgung bleibt aber stets ihr am Ehezeitende erreichter Wert maßgebend.

Hierin lag auch kein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz. Zwar verbleibt dem Ehemann nur noch eine Altersrente von 359 €, während die Ehefrau in der Ehezeit einen Rentenanspruch von insgesamt 561 € erwirbt. Doch geht damit einher, dass der Ehemann die um den Versorgungsabschlag gekürzte Rente vorgezogen beantragt hat und sie bereits seit Ablauf des 60. Lebensjahres bezieht. Hiervon zu unterscheiden ist zwar die Frage, ob das Ausgleichsergebnis auch einer Billigkeitskorrektur nach § 1587 c Nr. 1 BGB unterliegen kann. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor, da der Ehemann weiterhin als Rechtsanwalt tätig ist und er über sonstige auskömmliche Einkünfte verfügt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück