11.05.2017

Zur ausreichenden Substantiierung einer behaupteten Geschäftsunfähigkeit

Substantiiert dargelegt ist der Ausschluss der freien Willensbestimmung gem. § 104 Nr. 2 BGB nach allgemeinen Grundsätzen, wenn das Gericht auf der Grundlage des Klägervorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es nicht an. Gemessen daran war das Vorbringen des Klägers hinreichend substantiiert.

BGH 14.3.2017, VI ZR 225/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Mieter einer Wohnung des Beklagten. Während des Mietverhältnisses kam es 2005 und 2006 zu Überweisungen von insgesamt 159.000 €. Der Kläger behauptete, der Beklagte habe die Abbuchungen durch Fälschungen veranlasst und dabei eine seelische Erkrankung des Klägers und den Umstand ausgenutzt, dass er zur Regelung seiner eigenen Angelegenheiten nicht in der Lage sei. Weder habe ein Rechtsgrund für die Überweisungen noch die von dem Beklagten behauptete Liebesbeziehung zwischen den Parteien bestanden. Die Überweisungen an den Beklagten seien ihm erst im Jahr 2010 mit Hilfe seines Anwaltes bekannt geworden.

Der Beklagte behauptete, der Kläger habe ihm das Geld geschenkt. Das AG wies die Klage wegen Verjährung ab und führte zur Begründung aus, der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe erst im Jahr 2010 Kenntnis von den behaupteten Fälschungen erlangt. Denn es habe zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis vorgelegen. Das Unterlassen der Prüfung der präsenten Kontoauszüge erscheine geradezu unverständlich. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Verjährung gem. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2, § 214 Abs. 1 BGB den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG dadurch in entscheidungserheblicher Weise verletzt, dass es die Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Klägers unterlassen hatte.

Der Kläger hatte ein Schreiben eines Bevollmächtigten seiner Geschwister aus dem Jahr 1995 an die Vormundschaftsabteilung des AG vorgelegt, mit dem vor dem Hintergrund einer anstehenden Erbauseinandersetzung angeregt wurde, dem Kläger einen Betreuer zu bestellen, weil die Befürchtung bestehe, dass der Kläger sich wegen seiner seelischen Erkrankung nicht selbst werde helfen können. Er hatte ferner ein Schreiben des sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Frankfurt a.M. aus 2011 vorgelegt. Außerdem hatte der Kläger vorgetragen, er sei hilflos und gar nicht in der Lage, soziale Kontakte zu Dritten aufzubauen. Der Beklagte habe die krankhafte Störung des Klägers ausgenutzt, ihn als Vermieter mit dem Verlust der Wohnung unter Druck gesetzt und auf diese Weise dazu gebracht, Überweisungen zu unterschreiben.

Damit hat der Kläger die Voraussetzungen einer Geschäftsunfähigkeit gem. § 104 Nr. 2 BGB dargelegt und unter Beweis gestellt, ohne dass das Berufungsgericht dem nachgegangen wäre. Es hat vielmehr zu Unrecht angenommen, dieser Vortrag sei unsubstantiiert und das Beweisangebot sei auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet. Der Vortrag des Klägers sei vage und lasse keine Rückschlüsse darauf zu, aufgrund welcher konkreter Umstände es dem Kläger im Zeitraum von 2005 bis zum Ende des Jahres 2010 durchgängig nicht möglich gewesen sei, die über-sandten Kontoauszüge zu prüfen. Das vom Kläger beantragte Sachverständigengutachten diene daher lediglich dazu, Hinweise auf den konkreten Zustand des Klägers im maßgeblichen Zeitraum zu erlangen.

Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gem. § 104 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen. Substantiiert dargelegt ist ein solcher Ausschluss nach allgemeinen Grundsätzen, wenn das Gericht auf der Grundlage des Klägervorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es nicht an. Gemessen daran war das Vorbringen des Klägers hinreichend substantiiert.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für den Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.
BGH online