01.04.2014

Zur Einlegung eines Verfahrenskostenhilfegesuchs für die beabsichtigte Beschwerde in einer Familiensache beim unzuständigen AG

Das Verfahrenskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Beschwerde in einer Familiensache war nach der bis 31.12.2012 bestehenden Rechtslage beim OLG einzureichen. Wegen der nach Inkrafttreten der FGG-Reform zunächst insoweit bestehenden Rechtsunsicherheit, die inzwischen zu einer Gesetzesänderung geführt hat, begründet die Einreichung beim hierfür unzuständigen AG kein Verschulden des Rechtsanwalts.

BGH 5.3.2014, XII ZB 220/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Kindesunterhalt. Der Beschluss des AG, durch den dem Antrag des Antragstellers im Wesentlichen stattgegeben wurde, wurde dem Antragsteller am 27.12.2010 zugestellt. Am 27.1.2011 beantragte er beim AG Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde. Der Antrag ging am 3.2.2011 beim OLG ein. Das OLG wies den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass das Verfahrenskostenhilfegesuch nach dem hier noch anzuwendenden - bis zum 31.12.2012 geltenden - Recht (vgl. nunmehr seit 1.1.2013 § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG) nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1 ZPO beim Rechtsmittelgericht als Verfahrensgericht einzureichen war. Daran ist, wie das OLG zutreffend hervorgehoben hat, durch das zum 1.9.2009 in Kraft getretene Verfahrensrecht auch in Familienstreitsachen (zunächst) nichts geändert worden. Dem Antragsgegner ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn seiner Anwältin ist die unzutreffende Adressierung des Verfahrenskostenhilfeantrags an das AG nicht als Verschulden anzulasten.

Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist zwar in der Regel nicht unverschuldet, denn nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann aber als Entschuldigungsgrund dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte - unter Zugrundelegung eines strengen Bewertungsmaßstabs - die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen, und der Rechtsirrtum also nicht vermeidbar war.

Dies war für die hier vorliegende Fallgestaltung nach Erlass des angefochtenen Beschlusses zu bejahen. Die Frage, bei welchem Gericht Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde zu beantragen war, war unter den OLG's zu der Zeit umstritten und eine eindeutig überwiegende Auffassung hatte sich noch nicht gebildet. Zudem hatte sich die zunächst veröffentlichte Rechtsprechung für eine Einreichung des Verfahrenskostenhilfegesuchs beim AG ausgesprochen. Außerdem hat diese Meinung in der zum 1.1.2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung ihren Niederschlag gefunden. Danach sind nach § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde bei dem Gericht "einzulegen", dessen Beschluss angefochten werden soll.

Vor diesem Hintergrund war von einem Rechtsanwalt, der bei der bestehenden unklaren Rechtslage mangels vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung einer in der Rechtsprechung der OLG's und im Schrifttum stark vertretenen Auffassung gefolgt ist, auch nicht zu verlangen, dass er das Verfahrenskostenhilfegesuch sowohl bei dem AG als auch bei dem OLG einreichte, so dass ihm auch im Hinblick auf das Gebot der Wahl des sichersten Weges im Ergebnis kein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

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