Zur Einordnung eines Vertrags über den "Vollberitt" eines Pferdes als Dienstvertrag
BGH 12.1.2017, III ZR 4/16Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verletzung ihres Reitpferds auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin ist seit Juni 2010 Eigentümerin eines seinerzeit vierjährigen Wallachs. Im Juli 2010 gab sie das Pferd bei dem Reitstall des Beklagten in den Vollberitt. Dieser umfasste neben der Unterstellung, Fütterung und Pflege auch den Beritt, die Dressurausbildung und die Gewähr einer artgerechten Bewegung des Pferdes sowie die Ausbildung der Reiterin. In diesem Rahmen erhielt der Wallach regelmäßig und mehrmals wöchentlich in der Reithalle des Beklagten unter Aufsicht freien Auslauf.
Am 2.12.2010 wurde das Pferd morgens durch die seit dem 1.10.2010 bei dem Beklagten tätige Praktikantin K in der Reithalle frei laufen gelassen, ohne zuvor geritten oder longiert worden zu sein. Beim Freilauf stieß das Tier mit dem Kopf gegen eine der Stahlstützen des Hallendachs und zog sich hierdurch eine Verletzung zu, die tierärztlich - durch Nähen der Wunde - versorgt wurde. Die Klägerin behauptet, der Wallach habe infolge des Unfalls Veränderungen im Gehirnparenchym erlitten, die mit zunehmenden Gleichgewichtsproblemen verbunden seien, so dass das Pferd mittlerweile nicht mehr geritten werden könne. Sie macht geltend, die Unfallverletzung des Tieres sei auf Pflichtverletzungen des Beklagten zurückzuführen, und machte einen Schaden von insgesamt rd. 40.000 € geltend.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Das OLG hat eine vertragliche Haftung des Beklagten nach bisherigem Verfahrensstand zu Unrecht verneint.
Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass das OLG einen typengemischten Vertrag angenommen und den Schwerpunkt des Vertrags in der Leistung von Diensten (§ 611 BGB) gesehen hat. Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung bildet ein gemischter Vertrag ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in dem Sinn in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass etwa auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt.
Ob der Pferdepensionsvertrag seinen Schwerpunkt eher im Dienstvertragsrecht oder aber im Verwahrungsvertragsrecht findet, bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn das OLG hat für den vorliegenden Fall ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Ausbildung des damals noch sehr jungen, für den Einsatz bei Turnieren und die Vorführung bei Prüfungen vorgesehenen Pferdes deutlich im Vordergrund des Vertrags zwischen den Parteien gestanden hat. Demnach stellt sich der Vertrag im Schwerpunkt als Dienstvertrag (§ 611 BGB) dar, so dass hier die Anwendung von Verwahrungs- oder Mietvertragsrecht ausscheidet.
Nach bisherigem Verfahrensstand ist eine Haftung des Beklagten wegen einer von ihm zu vertretenden Vertragspflichtverletzung (§§ 611, 280 Abs. 1 BGB) nicht auszuschließen. Die Verletzung des Wallachs der Klägerin ereignete sich in der Obhut und im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten. Zudem hatte der Beklagte die Betreuung des Pferdes vor und bei dem schadenbringenden Freilauf nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein einer Praktikantin anvertraut, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten in seinem Reitstall tätig war. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt der Umstand, dass sich der Wallach beim Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise erhebliche Verletzungen zuzog, den Schluss, dass der Beklagte - selbst (§ 276 BGB) oder durch seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat. Der Beklagte muss sich daher vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten und hierfür nachweisen, dass ihm kein Pflichtverstoß unterlaufen ist. Diese Entlastung ist ihm bislang nicht gelungen.
Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das OLG gestützt auf die Aussage der Zeugin B eine ordnungsgemäße Vorbereitung des Freilaufs angenommen und eine Pflichtverletzung des Beklagten verneint hat. Das OLG hat nicht beachtet, dass der Wallach vor dem schadenbringenden Freilauf und währenddessen nicht von der Zeugin B, sondern von der Praktikantin K betreut wurde, und dass die Zeugin lediglich bekundet hat, dass sie selbst das Pferd vor dem Freilauf immer einige Zeit am Strick geführt habe und dies im Reitstall des Beklagten auch so üblich sei; über die Verfahrensweise der Praktikantin K am Unfalltag hat die Zeugin hingegen keine Angaben gemacht. Bleibt es - wie derzeit - offen, ob die Praktikantin K das Pferd ordnungsgemäß auf den Freilauf vorbereitet hat, geht dies zu Lasten des aus den vorstehenden Gründen beweispflichtigen Beklagten.
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