19.12.2011

Zur Einordnung von Hausgeldschulden als Nachlassverbindlichkeiten hinsichtlich einer aus Nachlassmitteln erworbenen Eigentumswohnung

Gehört eine Eigentumswohnung zu dem Nachlass, weil sie der Testamentsvollstrecker für den Erben mit Nachlassmitteln erworben hat, sind die Hausgeldschulden, die während der Dauer der Testamentsvollstreckung fällig werden, Nachlassverbindlichkeiten. Unabhängig davon, ob der Testamentsvollstrecker von seinem Stimmrecht Gebrauch macht, sind die beschlossenen Hausgeldforderungen insgesamt Folge seiner Verwaltung und damit Nachlasserbenschulden.

BGH 4.11.2011, V ZR 82/11
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Testament setzte die A ihren Enkel als Erben ein, ordnete die Testamentsvollstreckung durch den Beklagten bis Ende 2022 an und verfügte darüber hinaus, dass der Testamentsvollstrecker für den Enkel - soweit dieser es wünsche und an ihrem Todestag noch keine Eigentumswohnung besitze - von ihrem Bargeld bzw. sonstigen Vermögen eine angemessene Eigentumswohnung kaufen solle. Im Januar 2008 verstarb die A.

Der Beklagte erwarb daraufhin im August 2008 für den Erben eine Eigentumswohnung, die zu der Wohnanlage der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Im Grundbuch wurden der Erbe als Wohnungseigentümer sowie ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen. Die Klägerin erwirkte gegen den Erben wegen rückständiger Hausgeldforderungen für die Zeit von August 2008 bis September 2009 rechtskräftige Vollstreckungsbescheide über insgesamt 5.636 €.

Im September 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 und legten fest, dass die Hausgeldbeiträge unverändert bleiben sollten. Nachdem die Zwangsvollstreckung in die Eigentumswohnung nicht gelang, verlangt die Klägerin nunmehr von dem Beklagten Zahlung des gegen den Erben titulierten Betrags sowie des Hausgelds von Oktober 2009 bis März 2010 i.H.v. 2.586 €.

AG und LG gaben der Klage statt und verurteilten den Beklagten, i.H.v. 5.636 € die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu dulden und 2.586 € an die Klägerin zu zahlen. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat die Hausgeldforderungen zu Recht als Nachlassschulden angesehen, die gem. § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB sowohl gegen den Erben als auch gegen den Beklagten als Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden können.

Die Wohnung gehört zu dem Nachlass, für den eine Dauervollstreckung i.S.v. § 2209 BGB angeordnet ist. Weil er aus diesem Grund ein Sondervermögen bildet, findet die auf die Erbengemeinschaft bezogene Bestimmung des § 2041 S. 1 BGB über die dingliche Surrogation analoge Anwendung. Die Surrogation tritt auch dann ein, wenn der Erwerb - wie hier - mit Mitteln des Nachlasses erfolgt. Das Testament enthält auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Wohnung nach dem Erwerb nicht mehr der Testamentsvollstreckung unterliegen sollte. Deshalb erstreckt sich die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gem. § 2205 S. 1 BGB auf sie (vgl. § 2213 Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Hausgeldforderungen sind Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB. Überwiegend werden Hausgeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung auch dann als Nachlassverbindlichkeiten angesehen, wenn sie erst nach dem Erbfall fällig werden und - wie hier jedenfalls teilweise - ihre Grundlage in einem erst nach dem Erwerb gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer haben. Im Einzelnen streitig ist dabei lediglich, ob sie reine Nachlassschulden oder sog. Nachlasserbenschulden darstellen, bei denen sowohl der Nachlass als auch der Erbe persönlich haftet. Teilweise wird aber auch vertreten, dass eine reine Eigenschuld des Erben entstehe.

Eine reine Eigenschuld des Erben scheidet jedenfalls dann aus, wenn - wie hier - eine Dauervollstreckung angeordnet ist und die Wohnung von dem Testamentsvollstrecker verwaltet wird. Geht der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Verwaltung Verbindlichkeiten ein, entstehen nach allgemeiner Meinung notwendig Nachlassverbindlichkeiten. Weil der Testamentsvollstrecker verwaltungsbefugt ist, hat nach allgemeiner Ansicht er und nicht der Erbe das Stimmrecht auszuüben. Unabhängig davon, ob er von seinem Stimmrecht Gebrauch macht, sind die beschlossenen Hausgeldforderungen insgesamt Folge seiner Verwaltung und damit Nachlasserbenschulden.

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