22.08.2013

Zur Entstehung von Energiesteuer bei Abgabe an Nichtberechtigte

Von einer Abgabe von Energieerzeugnissen i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 EnergieStG ist auch dann auszugehen, wenn der Abgebende einer anderen Person aufgrund eines vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses den mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen verschafft. Die in § 30 Abs. 1 S. 2 EnergieStG getroffene Regelung kann nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden, die ungeachtet eines Zwischenerwerbs durch einen Nichtberechtigten den in § 30 Abs. 1 S. 1 EnergieStG normierten Steuerentstehungstatbestand verdrängt.

BFH 14.5.2013, VII R 39/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin zu 1) hatte bei der Klägerin zu 2) 36.720 L Gasöl gekauft, das im Auftrag der Klägerin zu 2) im Steuerlager der Firma H. lagerte. Vereinbart war eine Lieferung am 24.2.2009. Die Klägerin zu 1) verkaufte das Gasöl an die Firma T. zur Bunkerung eines Seeschiffs weiter. Mit E-Mail vom 20.2.2009 veranlasste die Klägerin zu 2) bei der Firma H. die Freistellung des Gasöls für die Klägerin zu 1) zur Bunkerung des Seeschiffs, die dann am 24.2.2009 stattfand. Zu dieser Zeit war nur die Klägerin zu 2) im Besitz einer Erlaubnis als Verteilerin gem. § 24 Abs. 2 S. 2 EnergieStG. Eine solche Erlaubnis wurde der Klägerin zu 1) erst am 15.7.2009 erteilt.

Mit der Begründung, sie sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Energieerzeugnisse weder Inhaberin einer Erlaubnis zur steuerfreien Verteilung von Energieerzeugnissen noch selbst Verwenderin dieser Energieerzeugnisse zu steuerfreien Zwecken als Schiffsbetriebsstoff gewesen, nahm das Hauptzollamt die Klägerin zu 1) nach § 30 Abs. 1 EnergieStG i.V.m. § 57 Abs. 9 und Abs. 4 EnergieStV auf Zahlung von Energiesteuer in Anspruch. Aufgrund der Abgabe des Gasöls an die Klägerin zu 1) und somit an einen Nichtberechtigten wurde auch die Klägerin zu 2) gesamtschuldnerisch mit der Klägerin zu 1) auf diesen Betrag in Anspruch genommen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob die angefochtenen Bescheide auf. Auf die Revision des Hauptzollamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hatte unter Verletzung von Bundesrecht zu Unrecht angenommen, dass eine Entstehung der Steuer nach § 30 Abs. 1 EnergieStG - ungeachtet etwaiger dazwischen geschalteter Dritter - nicht in Betracht kommen kann, wenn das Energieerzeugnis an eine Person gelangt ist, die zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse berechtigt ist. Die Steuer entsteht vielmehr bei Abgabe an einen Nichtberechtigten, der - evtl. in einer Lieferkette - zumindest mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen erlangt.

Nach § 30 Abs. 1 S. 2 EnergieStG entsteht die Steuer nicht, wenn die Energieerzeugnisse untergegangen sind oder an Personen abgegeben wurden, die zum Bezug von steuerfreien Energieerzeugnissen berechtigt sind. Entgegen der Auffassung des FG kann § 30 Abs. 1 S. 2 EnergieStG nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden mit der Folge, dass eine Steuer in allen Fällen nicht entsteht, in denen von einem Erlaubnisinhaber abgegebene Energieerzeugnisse an einen berechtigten Letztverwender gelangen, selbst wenn diese zuvor - etwa in einer Lieferkette - auch an einen zur steuerbegünstigten Verwendung nicht berechtigten Abnehmer abgegeben wurden.

Bei den in § 30 EnergieStG getroffenen Regelungen handelt es sich um Vorschriften, die das in den §§ 24 ff. EnergieStG festgelegte Verfahren der steuerfreien Verwendung und steuerfreien Verteilung näher ausgestalten. Grundsätzlich können die vom Gesetzgeber nach den §§ 25 bis 28 EnergieStG gewährten Steuerbefreiungen nur von Personen in Anspruch genommen werden, die über eine entsprechende Erlaubnis verfügen. Als Maßnahme der Steueraufsicht dient die Erlaubnis der Überwachung des begünstigten Personenkreises.

Im vorliegenden Fall war das Gasöl an die Klägerin zu 1) mit der Folge der Steuerentstehung nach § 30 Abs. 1 EnergieStG abgegeben worden. Hierfür war es ausreichend, dass die Klägerin zu 1) zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags ein Besitzmittlungsverhältnis begründet hatte. Der Begriff der Abgabe erfährt im EnergieStG zwar keine nähere Definition. Um die im Mineralölhandel üblichen und nach § 57 Abs. 4 EnergieStV im Energiesteuerrecht ausdrücklich vorgesehenen Streckengeschäfte in den Anwendungsbereich des § 30 EnergieStG mit einzubeziehen und auch für diese Fälle des Handels mit Energieerzeugnissen die energiesteuerrechtlichen Folgen einer Abgabe an Nichtberechtigte zu regeln, ist allerdings auch dann von einer Abgabe auszugehen, wenn dem Erwerber der mittelbare Besitz verschafft wird, also ein auf einem Besitzmittlungswillen beruhendes Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, nach dem der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers ausübt.

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