Zur Erfüllung etwaiger das Sondereigentum betreffender bauordnungsrechtlicher Vorgaben
BGH 9.12.2016, V ZR 84/16Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Haus besteht aus drei Einheiten. Grundlage der Aufteilung ist ein Teilungsvertrag, den der Beklagte im Oktober 1998 mit zwei weiteren Personen geschlossen hatte. Seither steht dem Beklagten das Sondereigentum an der im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Wohnung Nr. 1 sowie das Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Einheit Nr. 3 zu. Sondereigentümerin der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung Nr. 2 ist nunmehr die Klägerin. Teil I § 2 des Teilungsvertrags lautet auszugsweise wie folgt:
"Im Einzelnen wird die Aufteilung wie folgt vorgenommen:
3. 28/100-Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Wohnung (Dachgeschoss) nebst Kellerraum Nr. 3; das Wohnungseigentum steht dem [Beklagten] zu.
Die Wohnungen sind in sich abgeschlossen i.S.d. § 3 Abs. 2 WEG."
Nach dem Aufteilungsplan besteht die Einheit Nr. 3 aus zwei Zimmern sowie einem großen Bodenraum; anders als bei den beiden anderen Einheiten sind Küche und Bad nicht eingezeichnet. Die Wohnnutzung dieser Einheit ist bauordnungsrechtlich nicht genehmigt. Der Beklagte stellte im Jahr 2014 einen Bauantrag bei der Stadt. Diese gab dem Beklagten u.a. auf, einen Standsicherheits- und einen Brandschutznachweis zu erbringen. Zudem wies sie darauf hin, dass es aufgrund der geänderten Gebäudeklasse vermutlich erforderlich sein werde, einen Dispens hinsichtlich der Feuerwiderstandsklassen von Decken und Treppen zu erwirken. Weiter sei für die neue Wohnung ein Pkw-Stellplatz nachzuweisen oder ein Verzicht zu beantragen.
In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2014 wurden folgende Beschlüsse gefasst:
- TOP 2: Die Miteigentümergemeinschaft ermächtigt [den Beklagten], auf Kosten der Gemeinschaft Fachleute zu beauftragen, die unter Ermittlung der angemessenen Kosten klären, welche Sanierungsmaßnahmen am Haus durchgeführt werden müssen, um einen bauordnungsgemäßen Zustand herbei-zuführen. Soweit erforderlich, soll dieses in Abstimmung mit dem Sachbearbeiter des Bauordnungsamtes der Stadt erfolgen.
- TOP 6 (1): Da ein Stellplatz nicht geschaffen werden kann, wird an die Stadt Oldenburg zum spätest möglichen Zeitpunkt ein Ablöseantrag gestellt.
- TOP 6 (2): Den Ablösebetrag tragen die Miteigentümer im Verhältnis ihrer Eigentumsanteile.
Die Klägerin, die sich nicht gegen die Maßnahmen als solche, sondern gegen ihre Beteiligung an den Kosten verwehrt, focht die zu TOP 2 und zu TOP 6 (2) gefassten Beschlüsse an.
AG und LG gaben der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und stellte fest, dass der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.10.2014 zu TOP 2 gefasste Beschluss insoweit nichtig ist, als er sich auf Maßnahmen am Sondereigentum bezieht. I.Ü. wies er die auf TOP 2 und TOP 6 (2) bezogene Klage ab.
Gründe:
Entgegen der Ansicht des LG entspricht der zu TOP 2 gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung, soweit er sich auf das Gemeinschaftseigentum bezieht; entsprechend § 139 BGB ist er nur insoweit nichtig, als er das Sondereigentum betrifft.
Zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung gehört gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierzu zählen auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum. Danach unterfällt die beschlossene Maßnahme § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG und entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, soweit sie das gemeinschaftliche Eigentum betrifft. Die Einheit Nr. 3 ist nach dem Teilungsvertrag nämlich Wohnungseigentum und nicht Teileigentum. Infolgedessen muss das gemeinschaftliche Eigentum die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Nutzung des Gebäudes mit drei Einheiten zu Wohnzwecken erfüllen, insbesondere also die brandschutzrechtlichen Vorgaben für die danach einschlägige Gebäudeklasse (vgl. § 2 Abs. 3 NBauO).
Die Kosten für die Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das Gemeinschaftseigentum haben die Wohnungseigentümer gem. § 16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen; dies gilt daher auch für die Kosten der Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen. Eine abweichende Kostenregelung gem. § 16 Abs. 4 WEG ist nicht beschlossen worden. Allerdings ist der Beschluss nichtig, soweit er sich auf das Sondereigentum bezieht. Grundsätzlich ist es Sache des jeweiligen Sondereigentümers, etwaige das Sondereigentum betreffende bauordnungsrechtliche Vorgaben auf eigene Kosten zu erfüllen. Für Maßnahmen am Sondereigentum besteht generell keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer; dies gilt auch dann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften die Maßnahmen erfordern. Ein ungeachtet dessen gefasster Beschluss ist nichtig.
Für das Sondereigentum an einer Wohnung kann bauordnungsrechtlich der Einbau einer Toilette und einer Badewanne bzw. Dusche vorgegeben sein (hier gem. § 45 Abs. 1 S. 1 NBauO). Da diese Gegenstände als wesentliche Bestandteile des Gebäudes i.S.v. § 94 BGB gem. § 5 Abs. 1 WEG im Sondereigentum stehen, hat der Sondereigentümer solche bauordnungsrechtlichen Vorgaben auf eigene Kosten zu erfüllen. Beschlossen worden ist zu TOP 2, zu ermitteln, "welche Sanierungsmaßnahmen am Haus durchgeführt werden müssen, um einen bau-ordnungsgemäßen Zustand herbeizuführen." Die Auslegung des Beschlusses ergibt, dass die Ermittlung der angemessenen Kosten für Sanierungsmaßnahmen insgesamt umfasst sind, also auch etwaige Kosten, die das Sondereigentum betreffen. Eine Beschränkung auf das Gemeinschaftseigentum lässt der Wortlaut des Beschlusses nicht erkennen. Soweit er das Gemeinschaftseigentum betrifft, kann der Beschluss entsprechend § 139 BGB aufrechterhalten werden.
Die zu TOP 6 (2) beschlossene Kostenregelung, die einen etwaigen Ablösebetrag für einen Stellplatz betrifft, entspricht der gesetzlichen Kostenregelung gem. § 16 Abs. 2 WEG und ist daher nicht zu beanstanden. Auch insoweit handelt es sich um Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist, wenn der Bauträger bei der Errichtung der Wohnanlage und der Teilung nach § 8 WEG von den der Baugenehmigung zugrundeliegenden Plänen abgewichen ist und dadurch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen. Nichts anderes gilt, wenn die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis - wie hier - bei einer Aufteilung gem. § 3 WEG nicht oder nicht vollständig erfüllt worden sind.
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