Zur Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nach einem Anwaltswechsel
BGH 22.8.2012, XII ZB 183/11Die Rechtsanwältin, die den Beklagten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, gab im Juni 2006 ihre Zulassung zurück, weil sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Das LG ordnete den Beklagten daraufhin Rechtsanwalt T bei. In seinem Urteil erlegte das LG dem Kläger 71 Prozent und den Beklagten 29 Prozent der Kosten des Rechtsstreits auf. In ihrer Kostenberechnung meldeten die Beklagten die Gebühren für beide Rechtsanwälte an. Im Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigte die Rechtspflegerin des LG die von den Beklagten verlangten Mehrkosten für den später beigeordneten Rechtsanwalt T nicht.
Das OLG wies die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie beantragten, auch die angemeldeten Gebühren für ihren zweiten Rechtsanwalt festzusetzen, zurück. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte, sofern sie die Kosten eines Rechtsanwalts übersteigen, nur insoweit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.
Das OLG ist zu Recht geht davon ausgegangen, dass ein Anwaltswechsel nur dann notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO ist, wenn er nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr nach dem Grundgedanken von § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts zurückzuführen ist. Denn für die Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die durch einen Anwaltswechsel entstanden sind, reicht nicht schon die objektive Notwendigkeit des Anwaltswechsels aus. Vielmehr ist § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO dahin auszulegen, dass ein Wechsel nur dann eintreten musste, wenn er darüber hinaus unvermeidbar war, somit nicht schuldhaft verursacht worden ist.
Der Rechtspfleger hat deshalb bei der Prüfung, ob der Erstattungsgläubiger einen zweiten Rechtsanwalt beauftragten musste, auch zu prüfen, ob der Wechsel auf Umständen beruht, welche die Partei oder - dem Grundgedanken des § 85 Abs. 2 ZPO entsprechend - der Anwalt hätte voraussehen oder zumutbar verhindern können. Den Rechtsanwalt trifft bei einer Rückgabe der Zulassung kein Verschulden an dem dadurch notwendig gewordenen Anwaltswechsel, wenn er seine Zulassung aus achtenswerten Gründen aufgegeben hat und er bei Mandatsübernahme nicht vorhersehen konnte, dass er die Zulassung in absehbarer Zeit aufgeben und deshalb den Auftrag voraussichtlich nicht zu Ende führen könne.
Das OLG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagten nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht haben, dass die von ihnen beauftragte Rechtsanwältin ihre Zulassung aus achtenswerten Gründen aufgegeben hat. Denn die vorliegend geltend gemachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellen regelmäßig keinen achtenswerten Grund i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO für die Aufgabe der Zulassung dar. Der Rechtsanwalt hat vielmehr seine für die Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs erforderliche Leistungsfähigkeit sicherzustellen.
Ob in Fällen, in denen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch auf unvorhersehbaren persönlichen Gründen beruhen, eine abweichende Beurteilung geboten ist, musste vorliegend nicht entschieden werden, da das OLG solche entscheidungserheblichen Gründe nicht festgestellt hat und solche auch nicht ersichtlich sind.
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