29.08.2017

Zur Fälligkeit des Kaufpreises für ein Grundstück bei Ausübung eines Vorkaufsrechts

Ist zusammen mit einem Grundstückskaufvertrag die Auflassung erklärt worden, führt dies bei Ausübung eines Vorkaufsrechts in der Regel dazu, dass der von dem Vorkaufsberechtigten geschuldete Kaufpreis erst fällig wird, wenn die Auflassung ihm gegenüber erklärt worden ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Mitbeurkundung der Auflassung nicht (auch) der Sicherung des Käufers, sondern nur der Erleichterung der Vertragsabwicklung dienen sollte.

BGH 4.7.2017, V ZR 210/16
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 22.5.2013 verkaufte die Klägerin ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. In der Urkunde wurde die Auflassung erklärt sowie die Eintragung des Käufers als Eigentümer in das Grundbuch bewilligt. Der Kaufpreis von 365.255 € war bis zum 30.9.2013 unmittelbar an die Klägerin zu zahlen und im Falle des Verzuges zu verzinsen. Der beurkundende Notar wurde von beiden Vertragsparteien unwiderruflich angewiesen, die Auflassung enthaltende Ausfertigungen dem Käufer erst herauszugeben oder bei dem Grundbuchamt einzureichen, nachdem ihm die Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen durch die Verkäuferin schriftlich bestätigt worden war.

Die Beklagte übte mit Schreiben vom 17.9.2013 ein Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz aus. Mit Bescheid der zuständigen Genehmigungsbehörde vom 20.9.2013, bestandskräftig seit dem 7.10.2013, wurde der Klägerin die Ausübung des Vorkaufsrechts mitgeteilt. Nachdem die Parteien die Auflassung des Grundstücks am 26.2.2014 notariell hatten beurkunden lassen, zahlte die Beklagte den Kaufpreis mit Wertstellung zum 27.2.2014.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Verzugszinsen für den Zeitraum vom 21.10.2013 bis zum 27.2.2014 i.H.v. rd. 9.600 € mit der Begründung, dass der Kaufpreis spätestens innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts fällig geworden sei.

LG und KG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. § 280 Abs. 1 u. 2, § 286 Abs. 1 u. 2 Nr. 2 BGB, § 288 Abs. 2 BGB a.F. ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen für die Zeit vom 21.10.2013 bis zum 27.2.2014 zu.

Die Ansicht des KG, es bedürfe (auch) deshalb einer Vertragsanpassung, weil der Erstvertrag mit der Auflassung des Grundstücks verbunden worden und diese als Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises anzusehen sei, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Richtig ist allerdings, dass sich nach der Vertragsstruktur des Erstvertrages bestimmt, wie der Inhalt des durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande gekommenen Vertrages erforderlichenfalls anzupassen ist. Die Bestimmungen des Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten werden nicht zwischen diesen ausgehandelt, sondern sind, wie aus § 464 Abs. 2 BGB folgt dem Vertrag des Verpflichteten mit dem Dritten zu entnehmen. Ist - wie hier - die Auflassung des Grundstücks im Erstvertrag bereits erklärt worden, wird unterschiedlich beurteilt, ob die Fälligkeit des Kaufpreises die Auflassungserklärung des Vorkaufsverpflichteten voraussetzt.

Teilweise wird dies mit der Begründung bejaht, beiden Parteien müsse die Sicherheit des Erstvertrages erhalten bleiben. Dieser Ansicht wird entgegen gehalten, sie beachte das Abstraktionsprinzip nicht hinreichend. Richtigerweise führt die zusammen mit dem Abschluss des Erstvertrages erklärte Auflassung bei Ausübung des Vorkaufsrechts dazu, dass der von dem Vorkaufsberechtigten geschuldete Kaufpreis in der Regel erst fällig wird, wenn die Auflassung des Grundstücks ihm gegenüber erklärt worden ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Mitbeurkundung der Auflassung nicht (auch) der Sicherung des Käufers, sondern nur der Erleichterung der Vertragsabwicklung dienen sollte. Die Mitwirkung an der Auflassung ist Bestandteil der sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Leistungspflicht des Verkäufers. Die Auflassungserklärung wirkt, weil § 464 Abs. 2 BGB nur für die schuldrechtlichen Vereinbarungen gilt, zwar nicht zu Gunsten des Vorkaufsberechtigten.

Der Aufnahme der für die Eigentumsübertragung erforderlichen Erklärungen des Verkäufers in die notarielle Urkunde zusammen mit dem Kaufvertrag kommt aber Bedeutung für die Bestimmung der Fälligkeit des von dem Vorkaufsberechtigten zu erbringenden Kaufpreises zu. Denn ihr lässt sich regelmäßig entnehmen, dass nach dem Willen der Kaufvertragsparteien die Zahlung des Kaufpreises der Erklärung der Auflassung zeitlich nachfolgen soll. Der aus dieser konkludenten Vereinbarung folgende Vorteil, dass die Auflassung bei Zahlung des Kaufpreises unwiderruflich erklärt ist und dem Käufer deshalb keine Verzögerung des Eigentumserwerbs bedingt durch eine Nichterreichbarkeit des Verkäufers oder dessen Unwilligkeit, an der Auflassung mitzuwirken, droht, muss auch dem Vorkaufsberechtigten erhalten bleiben. Allerdings ist eine solche Auslegung des Erstvertrages nicht immer zwingend. Die Aufnahme der Auflassung und der Eintragungsbewilligung in die notarielle Urkunde bei Abschluss des Kaufvertrages kann nämlich auch lediglich Praktikabilitätsinteressen dienen und allein den Zweck haben, einen nochmaligen Beurkundungstermin mit dem Erfordernis des persönlichen Erscheinens der Vertragsparteien oder bevollmächtigter Vertreter zu vermeiden.

So kann es etwa liegen, wenn die Zahlung des Kaufpreises nach dem Inhalt des Erstvertrages von keiner Sicherheit abhängig gemacht wurde und sich dies darauf zurückführen lässt, dass dem Verkäufer ein besonderes Vertrauen im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Vertragsabwicklung entgegengebracht worden ist. Hiervon wird insbesondere bei einem in staatlicher Hand befindlichen Unternehmen auszugehen sein, weil das bei Privatpersonen bestehende Insolvenzrisiko in diesem Fall von untergeordneter Bedeutung ist. Nach diesen Grundsätzen hält die tatrichterliche Würdigung des KG einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Regelungen in § 3 Abs. 2 und § 14 Abs. 3 des Kaufvertrages, auf die das KG nicht eingeht, legen nahe, dass der Käufer uneingeschränkt vorleistungspflichtig sein sollte. Dieser hatte den Kaufpreis nämlich unabhängig von dem Vorliegen der erforderlichen Genehmigungen also auch im Falle einer schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages - bis zum 30.9.2013 unmittelbar an die Klägerin zu zahlen.

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