12.08.2016

Zur Geltendmachung von Ausgleichszahlungen nach Art. 7 FluggastrechteVO gegenüber einem nicht als direktem Vertragspartner tätigen Luftfahrtunternehmen

Der BGH hat dem EuGH Fragen im Hinblick auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 FluggastrechteVO zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der BGH möchte u.a. wissen, ob bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen das Endziel des Fluggastes auch dann als Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anzusehen ist, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO auf eine auf der ersten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Flugs richtet, das nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist.

BGH 14.6.2016, X ZR 92/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger zu 1), seine Frau und seine drei Kinder (Kläger zu 2) bis 5)) begehren Ausgleichszahlungen i.H.v. jeweils 250 € nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-VO); der Kläger zu 1) verlangt darüber hinaus die Erstattung von im Zusammenhang mit Wartezeiten aufgewendeten Kosten für Lebensmittel und Telefonate (100 €) sowie Verzugszinsen.

Der Kläger schloss über ein Reisebüro mit der I für sich und seine Familienangehörigen einen Beförderungsvertrag, der Flüge von Frankfurt a.M. nach Madrid und von Madrid nach Melilla am 3.7.2010 sowie Rückflüge von Melilla nach Madrid und von Madrid nach Frankfurt a.M. am 7.8.2010 umfasste. Sämtliche Flüge führten eine Flugnummer der I, die Flüge von Madrid nach Melilla und von Melilla nach Madrid wurden jedoch, wie in den Buchungsunterlagen vorgesehen, von der Beklagten ausgeführt. Der Abflug des Fluges von Melilla nach Madrid verzögerte sich um 20 Minuten mit der Folge, dass die Kläger den Anschlussflug nach Frankfurt nicht mehr erreichten und an ihrem Endziel mit vierstündiger Verspätung eintrafen.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der BGH hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?
2. Soweit Art. 5 Nr. 1 VO (EG) Nr. 44/2001 Anwendung findet:
Ist bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen das Endziel des Fluggastes auch dann als Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anzusehen, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf eine auf der ersten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Flugs richtet, das nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist?

Die Gründe:
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich, da der geschlossene Vertrag die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, nur aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a, Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO ergeben.

Der Senat versteht den Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO als einen gesetzlichen Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf vertraglicher Grundlage. Der Anspruch folgt zwar nicht unmittelbar aus dem mit einem Luftfahrtunternehmen abgeschlossenen Beförderungsvertrag, setzt aber voraus, dass der Anspruchsteller über eine bestätigte Buchung verfügt, was wiederum regelmäßig vom Bestehen eines Beförderungsvertrages abhängig ist. Ein solcher Beförderungsvertrag kann entweder mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen selbst bestehen oder mit einem anderen Unternehmen, für welches das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderungsleistung erbringt.

Letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat ihre Beförderungsleistung für die I erbracht, von der sie damit betraut worden war. Der Senat hatte bislang aber noch nicht zu entscheiden, ob in einer solchen Fallgestaltung Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, das nicht zugleich Vertragspartner des Fluggastes ist, als Ansprüche aus einem Vertrag i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-I-VO den Gegenstand des Verfahrens bilden, und die zutreffende Auslegung dieser unionsrechtlichen Norm erscheint weder in dem einen noch in dem anderen Sinne eindeutig. Deshalb war diese Frage dem EuGH vorzulegen.

Falls die vorstehend aufgeworfene Frage zu bejahen ist, kommt es für die Entscheidung über die Revision des Weiteren darauf an, ob der Ankunftsort des zweiten Flugs, der Flughafen Frankfurt am Main, als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO anzusehen ist. Der EuGH hat sich bereits zur Frage des Gerichtsstands im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen auf der Grundlage eines mit einem einzigen, den Flug auch ausführenden Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrages geäußert: Für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Fluggastrechteverordnung gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen ist nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO zuständig.

Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich davon in zweierlei Hinsicht. Zum einen sollten die Fluggäste zu ihrem Endziel mit zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen befördert werden. Zum anderen ist das in Anspruch genommene ausführende Luftfahrtunternehmen nicht dasjenige, mit dem die Fluggäste den Vertrag geschlossen hatten. Der Senat neigt gleichwohl dazu, auch den Flughafen Frankfurt a.M. als vereinbarten Erfüllungsort für die Gesamtheit der von I übernommenen vertraglichen Verpflichtungen und damit auch für diejenigen anzusehen, die im Zusammenhang mit dem Zubringerflug von Melilla nach Madrid.

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