29.10.2012

Zur gerichtlichen Überprüfung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Sie ist gerade nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen.

BGH 11.7.2012, VIII ZR 323/11
Der Sachverhalt:
Das AG hatte die Beklagten im schriftlichen Vorverfahren mit Teil-Versäumnisurteil und Endurteil aufgrund einer Kündigung wegen Mietrückständen zur Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung sowie Zahlung von 2.660 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. rund 808 € verurteilt. Hinsichtlich weiterer 98 € vorgerichtlicher Anwaltskosten wies es die Klage allerdings ab, da von den Klägern entgegen VV-RVG Nr. 2300 eine Begründung für einen 1,3 überschreitenden Satz der Geschäftsgebühr nicht dargelegt worden sei. Die Kläger verwiesen hingegen auf die sog. Toleranzrechtsprechung.

Berufung und Revision der Kläger blieben allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin "überdurchschnittlich" war. Infolgedessen muss bei der vom Gericht anzustellenden Schlüssigkeitsprüfung vor Erlass eines Versäumnisurteils geprüft werden, ob eine Überschreitung der "Kappungsgrenze" von 1,3 wegen überdurchschnittlichen Umfangs oder überdurchschnittlicher Schwierigkeit gerechtfertigt ist. Da die Kläger hierzu nichts vorgetragen hatten, haben die Vorinstanzen zu Recht keine 1,5-fache Gebühr, sondern nur eine 1,3-fache Gebühr für gerechtfertigt gehalten. Denn die Schwellengebühr von 1,3 ist die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle.

Zwar steht dem Rechtsanwalt nach der sog. Toleranzrechtsprechung bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % zu, so dass eine sich innerhalb dieser Grenze bewegende Gebühr nicht unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG und deshalb grundsätzlich hinzunehmen ist. Das Berufungsgericht hatte aber mit Recht angenommen, dass diese Toleranzrechtsprechung zu Gunsten des Rechtsanwalts, der eine Gebühr von mehr als 1,3 beansprucht, nur dann eingreift, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Nr. 2300 für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 vorliegen.

Die Erhöhung der Regelgebühr hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne Weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Das verstieße allerdings gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300.

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