22.06.2016

Zur systematischen Aufspaltung von Verträgen

Die Aufspaltung von Verträgen erfolgt "systematisch" i.S.v. § 14 Abs. 3 BNotO iVm Ziff. II Nr. 1 Buchst. d RL F, wenn sich der Notar über das Erfordernis eines sachlichen Grundes hinwegsetzt und das Fehlen des sachlichen Grundes bewusst hinnimmt. Soweit sachliche Gründe für eine Vertragsaufspaltung nicht vorliegen, darf der Notar seine Mitwirkung an einer entsprechenden Beurkundung damit ohne weiteres versagen.

BGH 14.3.2016, NotSt(Brfg) 6/15
Der Sachverhalt:
Der 62-jährige Kläger ist Anwaltsnotar. Er wurde im Jahr 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und im Jahr 1997 zum Notar bestellt. Er lebt in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen. Disziplinarrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

Mit Disziplinarverfügung vom 1.11.2012 hat der Präsident des LG Darmstadt dem Kläger wegen eines einheitlichen Dienstvergehens gem. § 95 BNotO eine Geldbuße von 7.500 € auferlegt. Die Disziplinarverfügung ist gestützt auf mehrere (angebliche) Amtspflichtverletzungen. Ihm wird u.a. vorgeworfen, er habe in einer Vielzahl von Fällen Grundstückskaufverträge nicht in Anwesenheit von Verkäufer und Käufer beurkundet, sondern die Verträge systematisch in Angebot und Annahme aufgespalten und regelmäßig nur das - bindende - Angebot des Käufers beurkundet. Initiiert und vereinbart worden seien die jeweiligen Beurkundungstermine dabei regelmäßig nicht von den Käufern selbst, sondern von bestimmten Finanzdienstleistern als Vermittler. Ausschließlich mit ihnen habe der Kläger die Urkunden vorbereitet.

Aufgrund der in den geprüften Fällen sehr kurzen Frist zwischen der Vereinbarung des Beurkundungstermins und der tatsächlich durchgeführten Beurkundung selbst stehe fest, dass die Käufer regelmäßig keine Gelegenheit gehabt hätten, sich ausreichend auf die Beurkundung vorzubereiten. Mit den jeweiligen Verkäufern, für die die Finanzdienstleister nicht als Vertreter aufgetreten seien, habe der Kläger jedenfalls bis zur Beurkundung keinen Kontakt gehabt, weshalb die für die Aufspaltung regelmäßig gegebene Begründung, Verkäufer und Käufer hätten keinen gemeinsamen Termin finden können, ohne tatsächliche Grundlage sei.

Den vom Kläger gegen die Disziplinarverfügung erhobenen Widerspruch wies der Präsident des OLG Frankfurt a.M. zurück. Auch die Klage vor dem Notarsenat des OLG blieb erfolglos. Das Gericht erachte die in der angefochtenen Disziplinarverfügung festgesetzte Geldbuße schon alleine wegen des Vorwurfs der systematischen Aufspaltung zu beurkundender Verträge in Angebot und Annahme als geboten. Der BGH wies die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurück.

Gründe:
Der Kläger hat in acht Fällen schuldhaft gegen § 14 Abs. 3 BNotO verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen gem. § 95 BNotO begangen.

Nach den Umständen des Streitfalls war davon auszugehen, dass die Aufspaltung der einzelnen Beurkundungsvorgänge "systematisch", also planmäßig und missbräuchlich, erfolgte. Zwar wird, wenn ein Verbraucher eine Immobilie vom Bauträger ausschließlich zum Zwecke der Kapitalanlage und/oder Steueroptimierung erwirbt, die Vertragsaufspaltung in die vom sog. Zentralnotar zu beurkundende Erklärung des Verkäufers und die vom sog. Ortsnotar zu beurkundende Erklärung des Käufers häufig den berechtigten Interessen beider Parteien entsprechen und damit oftmals auch von einem sachlichen Grund getragen sein; gibt bei Vorliegen eines sachlichen Grundes der "belehrungsbedürftigere" Käufer das Angebot ab, so ist hiergegen unter dem Gesichtspunkt des § 14 Abs. 3 BNotO iVm Ziff. II Nr. 1 Buchst. d RL F grundsätzlich nichts einzuwenden.

In den vorliegenden Fällen handelte der Kläger aber schon deshalb planmäßig und missbräuchlich, weil er sich über das Erfordernis eines sachlichen Grundes völlig hinweggesetzt hatte. Er hatte im Einzelfall gerade nicht überprüft hat, ob es einen sachlichen Grund für die getrennte Beurkundung gab; er habe in der Urkunde - ohne tatsächliche Grundlage - angebliche Gründe für die Aufspaltung allenfalls pauschal angegeben. Der Kläger hat sich gegen diese Feststellung zu keiner Zeit substanziiert gewandt. Selbst im gerichtlichen Verfahren hat er nicht darzulegen versucht, worin im einzelnen Fall der sachliche Grund für die Aufspaltung gelegen haben soll. Daraus war zu schließen, dass der Kläger in den fraglichen Fällen einen sachlichen Grund für die Aufspaltung nicht festgestellt und das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Aufspaltung bewusst hingenommen hatte.

Entgegen der Auffassung des Klägers stand der Annahme von Verstößen gegen § 14 Abs. 3 BNotO i.V.m. Ziff. II Nr. 1 RL F die Urkundsgewährungspflicht des Notars nicht entgegen. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO ist es dem Notar lediglich verwehrt, seine Amtstätigkeit ohne ausreichenden Grund zu verweigern. Ein ausreichender Grund zur Verweigerung einer Beurkundung liegt stets vor, wenn der Notar mit der Vornahme der gewünschten Beurkundung gegen Amtspflichten verstößt. Soweit sachliche Gründe für eine Vertragsaufspaltung nicht vorliegen, darf der Notar seine Mitwirkung an einer entsprechenden Beurkundung damit ohne weiteres versagen.

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