24.04.2012

Zur Tätigkeit als Rechtsanwalt nach Tätigwerden als angestellter Verbandsgeschäftsführer

Ein Rechtsanwalt verstößt gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, wenn er zunächst als angestellter Geschäftsführer eines Verbands seinen Arbeitgeber rechtlich zur Frage berät, ob der Verband wettbewerbsrechtlich gegen einen Marktteilnehmer vorgehen soll und sich anschließend vom Vorstand des Verbands das Mandat erteilen lässt, den Verband anwaltlich zu vertreten und den Marktteilnehmer zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordert.

AnwG 24.11.2011, 10 EV 173/11
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdegegner ist Rechtsanwalt. Er war als angestellter Geschäftsführer eines Verbands tätig. Zu dessen Aufgaben gehört es, die Einhaltung des Schutzes einer geografischen Angabe des Vereins zu kontrollieren. Dies geschieht in Absprache mit dem ehrenamtlich tätigen Vorstand - dem im hier maßgeblichen Zeitraum 2005 bis 2009 keine Juristen angehörten. Erlangt der Beschwerdegegner - selbst oder durch Dritte - Kenntnis von auf einer möglichen Verletzung, werden diese an den Vorstand weitergegeben. Nach rechtlicher Beratung durch den Beschwerdegegner entscheidet der Vorstand über die Maßnahmen.

In dem vorliegenden Fall hatte ein Vorstandsmitglied den Hinweis auf die Werbung der nicht im geschützten geographischen Bereich ansässigen GbR erteilt. Der Beschwerdegegner leitete diesen Hinweis an den Vorstand weiter und beriet diesen dahin, die GbR wegen unzulässiger Werbung anwaltlich abzumahnen. Daraufhin beauftragte der Verband den Beschwerdegegner als Rechtsanwalt, der die GbR abmahnte und zur Unterlassung aufforderte.

Der Beschwerdeführer vertrat ein Vertriebsunternehmen und rügte gegenüber der RAK Köln, dass hierin ein Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu sehen sei. Der Vorstand der RAK Köln rügte das Verhalten des Beschwerdegegners unter Erteilung einer Missbilligung. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg.

Das AnwG gab der Beschwerde statt.

Die Gründe:
Dem Beschwerdegegner war ein Verstoß gegen das in § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO geregelte Tätigkeitsverbot der Vorbefassung im Zweitberuf zur Last zu legen.

Danach darf ein Rechtsanwalt dann nicht tätig werden, wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit bereits beruflich tätig war. Die Vorschrift soll außerdem verhindern, dass eine berufliche Tätigkeit des Rechtsanwalts außerhalb seines Anwaltsberufes Interessenkollisionen herbeiführt und dadurch anwaltliche Berufspflichten beeinträchtigt werden.

Dabei muss es sich zunächst um dieselbe Angelegenheit handeln. Unter diesen Begriff fällt jede rechtliche Angelegenheit, die zwischen mehreren Beteiligten mit zumindest möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll. Außerdem muss es sich um eine (zweit)berufliche nicht-anwaltliche Tätigkeit handeln. Darunter ist jede auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit zu verstehen, die der Schaffung und Unterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um die Haupteinnahmequelle des Mandatsträgers handelt, denn auch die nebenberufliche Tätigkeit ist berufliche Tätigkeit i.S.v. § 45 BRAO. Die zweitberufliche Vor- bzw. Parallelbefassung muss vielmehr dem Grunde nach geeignet sein, bei einer nachfolgenden anwaltlichen Tätigkeit einen Interessenkonflikt auszulösen. Dies setzt wiederum nach h.M. voraus, dass der Anwalt in seinem Zweitberuf rechtlich und tatsächlich einer richtunggebenden Einflussnahme unterliegt.

Letztlich ist noch das Verhalten des Rechtsanwalts im Einzelfall maßgebend. Denn stellt er von Anfang an klar, dass er als solcher handelt, liegt kein Abgrenzungsproblem vor. Hatte er im Rahmen der von ihm geschuldeten Leistungen in nicht unerheblichem Umfang seinen Auftraggeber unabhängig rechtlich zu beraten, ist von einem Anwaltsdienstvertrag auszugehen. Er muss bei einer rechtlich relevanten nichtanwaltlichen Vortätigkeit demnach rechtsbesorgend tätig werden.

Nach Ansicht der Kammer waren diese Voraussetzungen erfüllt. Der Beschwerdegegner war mit der Angelegenheit der Abmahnung der GbR befasst. Dies zunächst in seiner Eigenschaft als angestellter Geschäftsführer des Verbandes, für die er ein regelmäßiges Einkommen erhielt, das geeignet war seine Lebensgrundlage mit zu sichern. Der Vorstand entschied nach Beratung durch seinen Geschäftsführer, ob und mit welchen Maßnahmen man gegen die GbR wegen der unzulässigen Werbung vorgehen solle. Später beauftragte der Vorstand den Beschwerdegegner mit der Abmahnung der GbR. Damit war dieser in gleicher Sache in unterschiedlichen Funktionen tätig, ohne dass die Angelegenheit abgeschlossen gewesen wäre. Diese Umstände reichten aus, vom Vorliegen einer voranwaltlichen Parallelbefassung i.S.v. § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO auszugehen. Die beiden Bereiche der Doppelfunktion als Geschäftsführer und Anwalt waren in derselben Sache nicht voneinander zu trennen.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die rechtsberatende Tätigkeit völlig in den Hintergrund tritt und keinerlei Relevanz besitzt und etwa die Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet im Vordergrund stünde. Dieser Fall lag hier allerdings nicht vor. Denn ohne die rechtliche Beratung des Beschwerdegegners hätte der Vorstand die GbR nicht abgemahnt. Das nicht völlig nebensächliche Bedürfnis nach rechtlicher Beratung und Betreuung stand bei der Übertragung der Geschäftsführertätigkeit auf ihn im Vordergrund.

BRAK-Mitt. 2/2012
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