24.05.2011

Zur Transparenz einer Klausel in den AGB eines Carsharing-Unternehmens

Für den Vertragspartner eines Carsharing-Unternehmens ist es von erheblicher Bedeutung, ob er im Schadensfalle die gesamte Selbstbeteiligung nur erbringen muss, wenn an dem ihm überlassenen Fahrzeug ein Schaden mindestens in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung entstanden ist, oder auch dann, wenn er, etwa bei einem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall, Fremdschäden verursacht hat. Außerdem ist bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung die Vereinbarung eines Selbstbehalts im Schadensfall unüblich.

BGH 23.2.2011, XII ZR 101/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Carsharing-Unternehmen. Die Beklagte ist eine Kundin von ihr gewesen. Zwischen den Parteien bestand bis Mai 2007 ein Teilnutzungsvertrag, der die Beklagte zur vorübergehenden Nutzung von Fahrzeugen der Klägerin berechtigte. Dem Vertrag lagen die AGB der Klägerin zugrunde, die u.a. folgende Klausel enthielten:

"Wird ein Fahrzeug während der Nutzungszeit des Teilnehmers beschädigt oder verursacht der Teilnehmer einen Schaden, haftet er hierfür im Rahmen der Selbstbeteiligung, deren Höhe der Tarifordnung zu entnehmen ist. Ausgenommen hiervon sind Fälle höherer Gewalt. Eine in diesem Vertrag geregelte weitergehende Haftung bleibt hiervon unberührt."

Die Beklagte verursachte einen Verkehrsunfall, wodurch am Fahrzeug der Klägerin ein Schaden i.H.v. 308 € und an dem Fahrzeug des Unfallbeteiligten ein Schaden i.H.v. 1.261 € entstand. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die nach der Tarifordnung vorgesehene Selbstbeteiligung i.H.v. 770 €. Die Beklagte weigerte sich allerdings, zu zahlen.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Die verfahrensgegenständliche Vertragsklausel der AGB der Klägerin war wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Die Klausel lässt nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennen, in welchem Schadensfall der Vertragspartner der Klägerin mit der vereinbarten Selbstbeteiligung haften soll. Während sich die Formulierung am Satzanfang der Klausel ihrem Wortlaut nach eindeutig auf Schäden an dem überlassenen Fahrzeug bezieht, spricht der anschließende Satzteil allgemein von einem Schaden, den der Vertragspartner der Klägerin verursacht hat. Von ihrem Wortlaut her kann sich diese Formulierung sowohl allein auf einen von dem Benutzer verursachten Schaden an dem überlassenen Fahrzeug als auch - weitergehend - auf einen von ihm verursachten Haftpflichtschaden beziehen.

Für einen möglichen Vertragspartner der Klägerin ist es jedoch von erheblicher Bedeutung, ob er im Schadensfalle die gesamte Selbstbeteiligung nur erbringen muss, wenn an dem ihm überlassenen Fahrzeug ein Schaden mindestens in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung entstanden ist, oder auch dann, wenn er, etwa bei einem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall, Fremdschäden verursacht hat. Dies wird aus der verfahrensgegenständlichen Vertragsklausel nicht ausreichend deutlich. Ihr Wortlaut ließe sogar die Möglichkeit zu, dass ein Vertragspartner der Klägerin die Selbstbeteiligung doppelt erbringen muss, sollte etwa bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall sowohl an dem ihm überlassenen Fahrzeug als auch bei einem weiteren Unfallbeteiligten ein erheblicher Schaden entstanden sein.

Hinzu kommt, dass eine Selbstbeteiligung typischerweise nur bei der Kaskoversicherung vereinbart wird, weil dadurch die Versicherungsprämien reduziert werden können. Bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung ist die Vereinbarung eines Selbstbehalts im Schadensfall dagegen unüblich. Auch aus diesem Grund wird ein Vertragspartner der Klägerin die Klausel regelmäßig dahingehend verstehen, dass er nur bei Schäden, die der Kaskoversicherung unterfallen, mit der vereinbarten Selbstbeteiligung haften muss. Damit kommt die Absicht der Klägerin, ihre Vertragspartner auch im Rahmen der Abwicklung von Haftpflichtschäden an Rechtsgütern Dritter in Höhe der Selbstbeteiligung in Anspruch zu nehmen, nicht ausreichend im Wortlaut zum Ausdruck.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online