07.05.2012

Zur Veröffentlichung des Porträtfotos eines - bei einem Unfall unter Beteiligung eines Prominenten - tödlich verletzten Unfallopfers

Berichtet die Presse über einen die Öffentlichkeit interessierenden schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer, stellt die Veröffentlichung eines kontextneutralen Porträtfotos des Unfallopfers im Rahmen der Berichterstattung in der Regel keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar. Auf eine Lizenzgebühr gerichtete Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des Abgebildeten bzw. seiner Erben bestehen in einem solchen Fall nicht.

BGH 20.3.2012, VI ZR 123/11
Der Sachverhalt:
Die Kläger machen als Erben ihrer im Oktober 2005 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Tochter gegen das beklagte Presseunternehmen Ansprüche auf Lizenzzahlung, Geldentschädigung und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten wegen der mehrfachen Veröffentlichung einer Fotografie ihrer Tochter in der von der Beklagten herausgegebenen Bild-Zeitung, der Bild am Sonntag und auf einer Webseite geltend.

Die damals 32-jährige kinderlose und nicht verheiratete Tochter der Kläger wurde schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt, in dessen Folge sie noch an der UnfallsteIle ihren schweren Verletzungen erlag. In dem Fahrzeug des Unfallverursachers hatte sich als Beifahrer der Musiker Max Mutzke befunden. Fahrer und Beifahrer dieses Fahrzeugs überlebten den Unfall. Zwei Tage nach dem Unfall wurde ein Mitarbeiter Bild-Zeitung bei den Klägern vorstellig und bat an der Haustür um Informationen über die Getötete und ein Foto von ihr. Die Kläger verweigerten jegliche Angaben und erklärten ausdrücklich, dass sie kein Foto zur Verfügung stellen wollten und mit einer Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter in der Bild-Zeitung nicht einverstanden seien.

In der Folge beschaffte sich die Beklagte von unbekannter dritter Seite eine Porträtaufnahme der Getöteten. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte jeweils mit ausführlichen Berichten über die an dem Unfall beteiligten Personen und den Unfallhergang in den genannten Zeitungen. In dem Beitrag in der Bild-Zeitung wurde auch über diverse Einzelheiten aus dem Privatleben der Getöteten berichtet. Auf Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Kläger gab die Beklagte hinsichtlich der erneuten Verbreitung des beanstandeten Fotos eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Den daneben geltend gemachten Zahlungsanspruch wies die Beklagte zurück. Erstinstanzlich verlangten die Kläger die Zahlung von 15.000 € und Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte, an die Kläger 3.000 € und vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Das OLG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Anspruch der Kläger auf Zahlung des begehrten Geldbetrags verneint.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass den Klägern kein Anspruch auf Geldersatz wegen der Verletzung ihres eigenen Persönlichkeitsrechts zustehe, ist nicht zu beanstanden. Ein Anspruch der Kläger bestünde nur, wenn sie selbst durch die Berichterstattung mit dem Porträtfoto ihrer tödlich verletzten Tochter in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden wären. Es läge aber selbst dann keine Beeinträchtigung des Geltungsanspruchs der Kläger von nennenswertem Gewicht vor, wenn ein Teil der Leser aus der Abbildung den Schluss zöge, die Kläger hätten der Veröffentlichung des Fotos ihrer Tochter zugestimmt, und dies missbilligte.

Auch aus dem Umstand, dass sich die Beklagte über den von den Klägern geäußerten Willen, keine Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter zu wünschen, mit besonderer Rücksichts- und Skrupellosigkeit hinweggesetzt hat, ergibt sich keine eine Geldentschädigung erfordernde Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger. Allein die Umstände des Todes der Tochter bei einem schweren Verkehrsunfall, an dem ein bekannter Musiker beteiligt war, haben zu einem publizistischen Interesse an der Person der Tochter geführt. Die von den Klägern missbilligte Wortberichterstattung sowie die Verwendung des Fotos der Tochter sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Dabei ist nichts ersichtlich, was im Rahmen der Berichterstattung den Geltungsanspruch der Tochter oder der in den Artikeln in keiner Weise erwähnten Kläger in irgendeiner Weise in Frage stellen könnte.

Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu. Die Ersatzpflicht bei der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts beruht auf der Überlegung, dass der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen kann, der im Allgemeinen auf der Bekanntheit und dem Ansehen der Person in der Öffentlichkeit beruht. Solche Erwägungen spielen aber dann keine maßgebliche Rolle, wenn die Presse über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse berichtet und nicht ersichtlich ist, dass kommerzielle Interessen einer - der Öffentlichkeit bislang unbekannten - (verstorbenen) Person, die Gegenstand der Berichterstattung war, bestanden haben könnten.

In solchen Fällen geht es der Presse nicht darum, sich die kommerzielle Verwertungsbefugnis der Person, über die berichtet wird, anzumaßen. Vielmehr steht das Berichterstattungsinteresse im Vordergrund. Die möglicherweise bestehende Absicht, durch die Gestaltung der Nachricht mit einem Bild des Betroffenen zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung der Auflage zu erzielen, ist nur ein mitwirkendes Element. Die Veröffentlichung des Bildes stellt in solchen Fällen keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar.

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