21.07.2011

Zur Vorleistungspflicht der Berufshaftpflichtversicherer von Notaren

Die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO wird durch dessen Regressansprüche gegen den Vertrauensschadenversicherer begrenzt. Dem Anspruch auf Vorleistung kann die Ausschlussfrist, gegen deren Wirksamkeit im Hinblick auf § 9 AGBG (= § 307 BGB) keine Bedenken bestehen, entgegen gehalten werden.

BGH 20.7.2011, IV ZR 75/09 u.a.
Der Sachverhalt:
+++ IV ZR 75/09 +++
Die Klägerin verlangte von der Beklagten als ehemaligem Berufshaftpflichtversicherer eines Notars die Erstattung ihrer Schäden aus mehreren Haftpflichtfällen, nachdem der Notar in zwei Haftpflichtprozessen zur Leistung von Schadensersatz einschließlich Zinsen (u.a. entgangener Guthabenzinsen) an die Klägerin verurteilt worden war. Die Klägerin war der Ansicht, dass sie von der Beklagten jedenfalls eine Vorleistung nach § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO verlangen könne. Zur Deckung von Schäden wegen wissentlicher Pflichtverletzungen von Notaren hat die zuständige Notarkammer eine Vertrauensschadenversicherung abgeschlossen, nach deren Bedingungen Leistungen für Schäden, "die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, Zinsverlust, Rechtsverfolgungskosten des Anspruchstellers usw.", ausgeschlossen sind.

Das LG ging von wissentlichen Pflichtverletzungen des Notars aus und gab der Klage mit Ausnahme der Zinsansprüche statt. Das OLG verurteilte die Beklagte auch hinsichtlich der titulierten Zinsansprüche zur Vorleistung.

+++ IV ZR 180/10 +++
Der klagende Berufshaftpflichtversicherer hatte wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung eines Notars an die Geschädigte geleistet. Von der zuständigen Notarkammer und vom Vertrauensschadenversicherer verlangte sie daraufhin die Erstattung des gezahlten Betrags nebst Zinsen auf Grundlage des § 19a Abs. 2 S. 4 BNotO. Nach den Bedingungen des Vertrauensschadenversicherungsvertrags sind Leistungen für Schäden, "die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden", ausgeschlossen. Da zwischen der Schadensverursachung und der Schadensmeldung durch die Geschädigte mehr als vier Jahre lagen, beriefen sich die Beklagten u.a. auf die Ausschlussfrist.

Das OLG hat den Vertrauensschadenversicherer zur Erstattung des von der Klägerin gezahlten Betrags und die Notarkammer auf den Hilfsantrag zur Einziehung und Auskehrung der Versicherungsleistung verurteilt. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin, die eine weitergehende Verurteilung der Notarkammer erreichen wollte.

Der BGH hat in beiden Fällen die Berufungsurteile aufgehoben und zu erneuten Verhandlungen und Entscheidungen an die OLG zurückverwiesen.

Die Gründe:
+++ IV ZR 75/09 +++
Die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO wird durch dessen Regressansprüche gegen den Vertrauensschadenversicherer begrenzt. Denn mit dem Charakter als Vorleistungspflicht wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des Berufshaftpflichtversicherers über die des Vertrauensschadenversicherers hinaus nicht zu vereinbaren. Infolgedessen kann sich der Berufshaftpflichtversicherer grundsätzlich sowohl auf eine Erschöpfung der Versicherungssumme als auch auf Deckungsbeschränkungen in der Vertrauensschadenversicherung berufen.

Der Leistungsausschluss für mittelbare Schäden ist jedoch wegen unangemessener Benachteiligung der Notarkammer als Versicherungsnehmerin nach § 9 AGBG (= § 307 BGB) unwirksam und steht daher den Zinsansprüchen der Klägerin nicht entgegen. Die gesetzliche Verpflichtung der Notarkammern zum Abschluss von Vertrauensschadenversicherungen gem. § 67 Abs. 3 Ziff. 3 BNotO soll gewährleisten, dass Geschädigte einen Vermögensschutz genießen, wie ihn die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger gewährleistet. Diese Funktion wird durch den generellen Ausschluss einer Regulierungspflicht für den Bereich der wirtschaftlich nicht unbedeutenden mittelbaren Schäden gefährdet.

Das OLG muss deshalb im weiteren Verfahren den Erschöpfungseinwand prüfen.

+++ IV ZR 180/10 +++
Zwar kann die Klägerin als Berufshaftpflichtversicherer vom Vertrauensschadenversicherer grundsätzlich eine Erstattung ihrer Vorleistung als Aufwendung nach § 19a Abs. 2 S. 4 BNotO verlangen. Dem Anspruch könnte jedoch die Ausschlussfrist, gegen deren Wirksamkeit im Hinblick auf § 9 AGBG (= § 307 BGB) keine Bedenken bestehen, entgegen gehalten werden. Diese ist unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben aber einschränkend dahin auszulegen, dass sich der Vertrauensschadenversicherer hierauf nicht berufen kann, wenn die Fristversäumung unverschuldet war.

Das OLG muss deshalb im weiteren Verfahren den Entlastungsbeweises prüfen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 135 vom 21.7.2011
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