21.07.2011

Zur Wirksamkeit einer Ersatzzustellung

Es genügt für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO, vorbehaltlich dolosen Verhaltens, nicht, dass der Adressat in zurechenbarer Weise den Rechtsschein geschaffen hat, unter der Zustellanschrift eine Wohnung oder Geschäftsräume zu nutzen. Insbesondere reicht es nicht, dass er nach Aufgabe der Wohnung oder der Geschäftsräume ein Schild mit seinem Namen an dem Briefeinwurf belässt.

BGH 16.6.2011, III ZR 342/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten einen Provisionsanspruch i.H.v. rund 35.907 € für die Akquisition von Aufträgen geltend gemacht und einen entsprechenden Mahnbescheid über ihre Forderungen erwirkt. Dieser wurde der Beklagten am 17.8.2007 unter ihrer damaligen der Anschrift zugestellt. Nachdem die Beklagte keinen Widerspruch eingelegt hatte, beantragte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid. Dieser wurde antragsgemäß erlassen und am 7.9.2007 unter derselben Anschrift durch Einlegung des Schriftstücks "in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung" zugestellt.

In dem Haus hatten außer der Beklagten noch zwei weitere Parteien eine Wohnung bzw. Geschäftsräume. In der Außentür des Hauses befand sich ein einzelner Briefschlitz, in den die Post für alle drei Parteien eingeworfen wurde. Da innen ein Behältnis nicht angebracht war, fielen die Sendungen hinter der Tür auf den Boden des Hausflurs. Die Beklagte machte geltend, sie habe bereits am 3.9.2007 ihre Geschäftsräume dort aufgegeben und ihren Sitz an einen neuen Standort verlegt. Die Schilder mit ihrem Namen an der Tür und am Briefeinwurf seien zuvor abmontiert worden. Der Vollstreckungsbescheid sei somit nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Die Beklagte legte mit am 23.11.2007 eingegangenem Schriftsatz Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein. Das LG hob diesen auf und wies die Klage ab; das OLG hielt den Vollstreckungsbescheid hingegen aufrecht. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Zwar scheiterte die Wirksamkeit der Zustellung nicht daran, dass der Vollstreckungsbescheid in den in der Außentür des Hauses befindlichen Briefschlitz eingeworfen worden war, obgleich es sich um eine von drei Parteien gemeinschaftlich genutzte Vorrichtung handelte und sich auf der Innenseite der Tür keine geschlossene Auffangvorrichtung befand. Der gemeinsame Briefschlitz in der Haustür eines Mehrparteienhauses ist jedenfalls dann eine "ähnliche Vorrichtung" i.S.d. § 180 S. 1 ZPO, wenn - wie hier - in dem betreffenden Gebäude lediglich drei Parteien wohnen bzw. Geschäftsräume unterhalten, der Zustellungsadressat gewöhnlich seine Post durch diesen Einwurf erhält und - etwa aufgrund einer entsprechenden Beschriftung - eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten möglich ist.

Das Berufungsgericht durfte allerdings nicht offen lassen, ob die Beklagte, vor dem 7.9.2007 objektiv ihre Geschäftsräume an einen anderen Ort verlegt hatte. Denn der bloße, dem Empfänger zurechenbare Rechtsschein, dieser unterhalte unter der jeweiligen Anschrift eine Wohnung oder Geschäftsräume, genügt nicht für eine ordnungsgemäße Zustellung. Dies ergibt sich aus §§ 178 bis 181 ZPO, wonach nur in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen oder durch Einwurf in die hierzu gehörenden Postempfangsvorrichtungen zugestellt werden kann, nicht aber dort, wo lediglich der Anschein einer Wohnung oder eines Geschäftsraums besteht. Dies setzt indessen nicht voraus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er nutze die Räume dort auch weiterhin. Insbesondere genügt allein die Existenz eines Namensschilds nicht, weil ansonsten doch die Erkennbarkeit für den konkreten Zusteller maßgeblich wäre.

Es stellt zwar eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat. Die Beklagte hatte hier allerdings nicht bewusst versucht, den Anschein zu erwecken, sie unterhalte ihre Geschäftsräume weiterhin in dem Hause. Vielmehr steht, soweit sie ihre Geschäftsräume tatsächlich verlegt hatte, lediglich in Rede, dass sie es ohne dolose Absicht versäumte, ihr Namensschild an dem Briefeinwurf in der Haustür rechtzeitig zu entfernen.

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