14.01.2016

Zur Zuständigkeitskonzentration für die Berufung in Wohnungseigentumssachen

Ob die in § 72 Abs. 2 GVG für die Berufung in Wohnungseigentumssachen vorgesehene Zuständigkeitskonzentration eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich um eine Streitigkeit i.S.v. § 43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt. Demgegenüber ist es unerheblich, wenn in erster Instanz nicht der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten zuständige Amtsrichter entschieden hat.

BGH 12.11.2015, V ZB 36/15
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder derselben Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf die Art und Weise der Parkplatznutzung bezieht. Das AG Potsdam wies die Klage mit Urteil vom 15.7.2014 ab. Die darin enthaltene Rechtsmittelbelehrung bezeichnet das LG Frankfurt (Oder) als zuständiges Berufungsgericht. Das Urteil wurde dem Kläger am 21.7.2014 zugestellt.

Mit einem am 8.8.2014 eingegangenen Schriftsatz legte der Kläger bei dem LG Potsdam Berufung ein und teilte mit, dass er von dessen Zuständigkeit ausgehe; es handele sich um eine allgemeine Zivilsache, weil in erster Instanz nicht die Abteilung für Wohnungseigentumssachen, sondern das Prozessgericht tätig geworden sei. Zugleich bat er darum, vorab über die Zuständigkeit zu entscheiden, den Rechtsstreit ggf. an das für Wohnungseigentumssachen zuständige LG Frankfurt (Oder) zu verweisen oder einen rechtzeitigen richterlichen Hinweis zu erteilen.

Mit Beschluss vom 13.10.2014 wies das LG Potsdam auf seine Unzuständigkeit hin und kündigte die Verwerfung der Berufung als unzulässig an. Daraufhin legte der Kläger am 29.10.2014 bei dem LG Frankfurt (Oder) Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Beschluss vom 26.1.2015 verwarf das LG Frankfurt (Oder) die Berufung als unzulässig. Das LG Potsdam verwarf die Berufung seinerseits mit Beschluss vom 20.2.2015 mangels Zuständigkeit als unzulässig.

Die gegen beide Beschlüsse gerichteten Rechtsbeschwerden des Klägers hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das rechtzeitig angerufene LG Potsdam hat seine Zuständigkeit rechtsfehlerfrei verneint. Zuständig für die Entscheidung über die Berufung ist gem. § 72 Abs. 2 GVG i.V.m. § 3 der brandenburgischen Gerichtszuständigkeitsverordnung das erst nach Ablauf der Berufungsfrist angerufene LG Frankfurt (Oder), weil der Streit der Parteien eine Wohnungseigentumssache i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG ist.

Zu den Wohnungseigentumssachen gehören gem. § 43 Nr. 1 WEG Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Hier streiten die Parteien ausschließlich um die Nutzung des Gemeinschaftseigentums; der Kläger macht geltend, dass die Beklagten teilweise im Bereich des Gemeinschaftseigentums parkten. Dass die Parteien auch über den Umfang des Sondereigentums und damit über die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft stritten, ändert daran nichts. Hierfür wären zwar die allgemeinen Zivilgerichte zuständig. Ein solcher Verfahrensgegenstand ergibt sich aus dem Urteil des AG aber schon deshalb nicht, weil darin mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt wird, dass die Beklagten unstreitig das Gemeinschaftseigentum zum Parken in Anspruch nehmen und insoweit Unterlassung verlangt wird.

Ob die in § 72 Abs. 2 GVG für die Berufung in Wohnungseigentumssachen vorgesehene Zuständigkeitskonzentration eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich um eine Streitigkeit i.S.v. § 43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt; dagegen ist es unerheblich, wenn - wie hier - in erster Instanz nicht der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten zuständige Amtsrichter entschieden hat. Rechtstechnisch bezieht sich die Zuständigkeitsregelung nicht auf das erstinstanzlich entscheidende Gericht, anders als die in § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG enthaltene Zuständigkeitsregelung für die gegen die Entscheidungen der Familiengerichte gerichteten Rechtsmittel. Ohnehin sieht das GVG die Bildung von gesonderten Abteilungen wie für Familien- und Betreuungssachen (§§ 23b, 23c GVG) für Wohnungseigentumssachen nicht vor.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das LG Potsdam dem Antrag des Klägers auf Verweisung des Rechtsstreits an das LG Frankfurt (Oder) in analoger Anwendung von § 281 ZPO nicht entsprochen hat. Und schließlich hält auch die Entscheidung des LG Frankfurt (Oder) rechtlicher Nachprüfung stand, mit der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist. Da die Rechtslage eindeutig und die erteilte Rechtsmittelbelehrung richtig war, beruht die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers (§ 85 Abs. 2 ZPO). Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme, die Ursächlichkeit der schuldhaften Fristversäumnis sei nicht im Hinblick auf das Verhalten des Vorsitzenden der Zivilkammer des zunächst angerufenen LG Potsdam entfallen.

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