15.05.2014

Arbeitsverhältnis statt "Schnupperpraktikum": Lebensmittelmarkt muss über 17.000 Euro Lohn nachzahlen

Ein unentgeltliches Praktikum dient dazu, Einblick in einen Betrieb zu erhalten und sich praktische Kenntnisse anzueignen. Dabei steht der Ausbildungszweck klar im Vordergrund. Erbringt der Praktikant jedoch in erheblichem Umfang wirtschaftlich verwertbare Leistungen, die die einer bezahlten Arbeitskraft ersetzen, so hat er einen Anspruch auf branchenübliche Vergütung.

ArbG Bochum 25.3.2014, 2 Ca 1482/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei dem Beklagten, einem Lebensmittelgeschäft, als Praktikantin beschäftigt. Sie verrichtete während ihres unentgeltlichen "Schnupperpraktikums" Arbeiten einer Verkäuferin und räumte z.B. Waren ein- und aus, kassierte und putzte. Nach acht Monaten verlangte sie Bezahlung für die von ihr geleisteten 1.728 Arbeitsstunden. Der Beklagte lehnte dies ab.

Mit ihrer Zahlungsklage machte die Klägerin geltend, dass während des Praktikums nicht die Ausbildung, sondern die Arbeitsleistung im Vordergrund gestanden habe. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vergütung ihrer Dienstleistung, da diese gem. § 612 Abs. 1 BGB den Umständen nach nur gegen Lohn zu erwarten war.

Sie hat in erheblichem Umfang wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbracht, für die der Beklagte ansonsten eine bezahlte Arbeitskraft hätte beschäftigen müssen. Die Klägerin war wie eine Arbeitnehmerin in den Betrieb eingegliedert und gegenüber dem Beklagten weisungsgebunden. Demnach bestand zwischen den Parteien kein unentgeltliches Praktikumsverhältnis, sondern ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Die Bezeichnung als "Praktikum" ist unbeachtlich.

Die Abrede der Unentgeltlichkeit erfüllt den Tatbestand des Lohnwuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB; sie ist sittenwidrig und rechtsunwirksam. Ein Stundenlohn i.H.v. 10 Euro brutto entspricht in diesem Fall der üblichen Vergütung.

ArbG Bochum
Zurück