19.04.2018

Auslegung eines Sozialplans - Kein Nettoabfindungsanspruch im Streitfall enthalten

Im Streitfall verlangte ein Arbeitnehmer eine Nettoabsicherungssumme aufgrund eines bestehenden Sozialplans. Der streitgegenständliche Sozialplan ist jedoch nach Wortlaut und Systematik dahingehend auszulegen, dass er dem Arbeitnehmer keinen (Aus-)Zahlungsanspruch auf eine Nettoabsicherung vermittelt, da es sich bei der Nettoabsicherung um eine Rechengröße handelt anhand derer die anzubietende Bruttoabfindung zu berechnen ist.

BAG 20.2.2018, 1 AZR 787/16
Der Sachverhalt:
Der im Februar 1959 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er war bei der Beklagten am Produktionsstandort B beschäftigt. Wegen dessen Schließung vereinbarte die Beklagte im Juni 2014 mit der zuständigen Gewerkschaft einen Sozialtarifvertrag (STV) und einigte sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan (SP). Dieser erstreckt Abschn. C des STV auf die Arbeitsverhältnisse aller Betriebsangehörigen. Beide Vereinbarungen sehen für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1949 bis 1959 ein individuelles Angebot zum Ausscheiden zum 31.12.2014 gegen Zahlung einer Abfindung vor.

Das Abfindungsangebot ist gem. Nr. 1 SP, Abschn. C STV so zu bemessen, dass es ab dem 60. Lebensjahr eine Absicherung i.H.v. 80 Prozent des zuletzt bezogenen Nettomonatseinkommen im Zeitraum vom 1.1.2016 bis zum frühestmöglichen Wechsel in die gesetzliche Rente sicherstellt (sog. Nettoabsicherung). Der Gesamtbetrag ist dann unter Zuhilfenahme der Steuermerkmale auf eine Bruttosumme hochzurechnen (sog. Bruttoabsicherung). Bei dem mit Abschluss des Aufhebungsvertrags entstehenden Abfindungsanspruch handelt es sich um einen Bruttobetrag.

Der Berechnung des Abfindungsangebots legte die Beklagte den 1.5.2020 zugrunde, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt erstmals eine vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen konnte. Die Beklagte zahlte dem Kläger eine Bruttoabfindung i.H.v. 123.000 €. Der Kläger ist der Auffassung, Abschn. C STV benachteilige ihn wegen seiner Schwerbehinderung. Nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer desselben Jahrgangs erhielten eine höhere Abfindung, da sie drei Jahre später in die Rente wechseln könnten. Er klagte daher auf die Nettoabsicherung für die Zeit vom 1.5.2020 bis zum 28.2.2022 i.H.v. rd. 51.000 €.

Die Klage hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Nach Zustellung des Urteils bruttoisierte die Beklagte den Betrag und zahlte ihn am 1.9.2015 an den Kläger. Das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Ihr darüber hinaus gestellter Antrag auf Rückzahlung des ausgezahlten Betrags wurde abgewiesen.

Die Gründe:
Die Revision ist begründet. Ein Rückzahlungsanspruch nach § 717 Abs. 3 ZPO steht der Beklagten jedoch darüber hinaus nicht zu.

Die Klage ist auf Auszahlung der Nettoabsicherung i.S.v. Nr. 1 SP, Abschn. C STV gerichtet. Mit seinem Klageantrag hat der Kläger ausdrücklich eine Nettozahlung verlangt. Der Streitgegenstand ist daher die Nettoabsicherung für die Zeit von dem seitens der Beklagten zugrunde gelegten Renteneintritt am 1.5.2020 und dem von dem Kläger als zutreffend angesehenen Renteneintritt am 1.3.2022 und nicht eine noch zu berechnende Bruttoabfindung. Das Klagebegehren konnte das LAG nicht unter Hinweis auf die BAG-Rechtsprechung in einen Bruttozahlbetrag gleicher Höhe umwandeln. Durch das Streichen des Zusatzes netto, hat es den Streitgegenstand ausgewechselt und auf eine Sozialplanforderung erkannt, die der Kläger nicht begehrt hat und die auch der Höhe nach nicht dem korrekten Bruttobetrag entspricht.

Der Kläger kann nach Nr. 1 SP i.V.m. Abschn. C STV keine Zahlung der Nettoabsicherung verlangen, da der SP i.V.m. dem STV und den darin enthaltenen Bestimmungen keinen Anspruch auf Zahlung vermitteln. Sowohl nach einem Wortlaut als auch nach seiner Systematik handelt es sich bei der Nettoabsicherung um eine Rechengröße mit Hilfe eine anzubietende Bruttoabfindung zu berechnen ist. Erst diese unterliegt der Sozialversicherungs- und individuellen Steuerpflicht.
Die Beklagte kann jedoch trotzdem nicht die Rückzahlung des an den Kläger am 1.9.2015 gezahlten Betrags verlangen, da ihr ein Bereicherungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO nicht zusteht, da der Anspruch im Streitfall voraussetzt, dass die Beklagte aufgrund des Berufungsurteils geleistet hat. Dies ist nicht der Fall, da sie auf das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts gezahlt hat.

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