08.08.2017

Auslegung nach einer Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge als Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags für den die Tarifverträge in der jeweiligen Fassung gelten sollen

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben verstehen mussten. Dabei ist die Verkehrssitte zu berücksichtigen und vom Wortlaut her auszugehen. Ebenso sind bei der Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen.

LAG Köln 19.5.2017, 4 Sa 937/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit dem 5.6.2001 auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31.5.2002 bei der P Möbel Zentralverwaltung GmbH & Co. KG als Möbelauslieferungsmonteur beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 25.5.2001 wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass sich die Arbeitsbedingungen nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels richten.

Mit Wirkung zum 31.12.2001 trat die P Möbel Zentralverwaltung GmbH & Co. KG aus dem Arbeitgeberverband aus und firmierte sich um in die F Möbel Handels GmbH & Co. KG. Mit Schreiben vom 2.4.2002 teilte diese dem Kläger eine Änderung des Arbeitsvertrags mit. Das Schreiben beinhaltete, dass der befristete Arbeitsvertrag ab dem 1.6.2002 in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt wird sowie, dass sich das Arbeitsverhältnis im übrigen nach den Bestimmungen der Tarifverträge für den Einzelhandel und dem seit 5.6.2001 zwischen den Parteien gültigen Arbeitsvertrag richtet.

Mit Wirkung zum 1.1.2003 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der F Möbel Handels GmbH & Co. KG von der Beklagten übernommen. Die Beklagte war kein Mitglied im Arbeitgeberverband. Mit seiner Klage, begehrte der Kläger die Feststellung, dass der derzeit gültige Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet und er verlangte für die Monate November 2015 bis August 2016 die Differenzvergütung zwischen dem von der Beklagten gezahlten Lohn und dem Tariflohn. Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat sowohl einen Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung der Anwendung des Tarifvertrags als auch auf Zahlung des Differenzbetrags i.H.v. 4.575 €. Der Anspruch besteht, da der derzeit gültige Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 18.8.2015 auf das Arbeitsverhältnis der beiden Parteien anzuwenden ist. Dies ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der beiden Parteien. Die Beklagte ist mit Wirkung zum 1.1.2003 als Arbeitgeberin in das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der F Möbel Handels GmbH & Co. KG eingetreten und hat die Rechte und Pflichten übernommen. Zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Beklagte galt die vertragliche Vereinbarung, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweiligen Tarifverträgen für den Einzelhandel richtet.

Die auch nach dem 31.12.2001 geltende dynamische Bindung an die Tarifverträge folgt dabei zwar nicht aus der ursprünglichen Vereinbarung des Arbeitsvertrags vom 25.5.2001. Sie folgt aber aus der Auslegung der auf Grundlage des Schreibens der F Möbel Handels GmbH & Co. KG vom 2.4.2002 geschlossenen Änderungsvereinbarung zwischen den Parteien. Zwar haben die Parteien des ursprünglichen Arbeitsvertrags ausdrücklich die Geltung der jeweiligen tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels und damit die dynamische Geltung des gesamten Tarifwerks des Einzelhandels vereinbart. Aber die Vereinbarung ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, so dass die Dynamik der Geltung mit dem Austritt der Arbeitgeberin aus dem Arbeitgeberverband am 31.12.2001 beendet wurde. Die Tarifvereinbarungen galten lediglich statisch weiter.

Aber auf Grundlage des Schreibens vom 2.4.2002 gelten die Tarifverträge spätestens seit dem 1.6.2002 wieder in ihrer jeweils gültigen Fassung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben verstehen mussten. Dabei ist die Verkehrssitte zu berücksichtigen und vom Wortlaut her auszugehen. Ebenso sind bei der Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen.

Nach Auslegung der Willenserklärungen des Schreibens enthält das Schreiben ein annahmefähiges Angebot der Beklagten i.S.d. § 145 BG auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags, für den die Tarifverträge für den Einzelhandel NRW in ihrer jeweiligen Fassung gelten sollen. Es handelt sich nicht lediglich um eine einseitige Mitteilung darüber, dass die Beklagte einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.5.2002 hinaus nicht widersprechen werde. Im Falle einer Befristung ist dies gerade nicht erforderlich. Die dynamische Geltung der Tarifverträge wurde dadurch auch erneut vereinbart, da die Beklagte diese ausdrücklich in ihrem Schreiben miteinbezieht. Der Kläger hat das Vertragsangebot auch stillschweigend durch konkludentes Verhalten angenommen, da er seine Arbeit fortsetzt und es sich dabei für ihn um ein lediglich vorteilhaftes Angebot handelt.

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