14.11.2014

Beschäftigung von Hartz-IV-Empfängern: Vergütung im anrechnungsfreien Bereich kann sittenwidrig sein

Wer Empfänger von Leistungen nach dem SGB II beschäftigt und hierfür die anrechnungsfreien 100 Euro pro Monat bezahlt, riskiert Nachforderungen des Jobcenters, wenn die Vergütung pro Stunde mehr als 50 Prozent hinter der üblichen Vergütung zurückbleibt. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze zur Sittenwidrigkeit, d.h. bei Unterschreiten der 50-Prozent-Grenze wird eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers vermutet und schuldet dieser die übliche Vergütung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitsleistungen des ALG-II-Empfängers für den Arbeitgeber von wirtschaftlichem Wert sind.

LAG Berlin-Brandenburg 7.11.2014 - 6 Sa 1148/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Der beklagte Rechtsanwalt beschäftigte zwei Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit Bürohilfstätigkeiten gegen ein Entgelt von 100 Euro im Monat. Umgerechnet auf die erbrachten Arbeitsstunden ergab sich hieraus ein Stundenlohn von weniger als zwei Euro. Das klagende Jobcenter hielt die Vergütungsvereinbarung für sittenwidrig und machte aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche geltend. Das LAG gab der Klage im Wesentlichen statt.

Die Gründe:
Der Jobcenter hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der geleisteten und der üblichen Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB), da die zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossene Vergütungsvereinbarung gem. § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist.

Eine Vergütungsvereinbarung ist regelmäßig sittenwidrig, wenn die Vergütung mehr als 50 v.H. hinter der üblichen Vergütung zurückbleibt. Es liegt dann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers vor, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers erlaubt.

Ein solches grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt hier vor. Die Arbeitsleistungen waren für den Arbeitgeber von wirtschaftlichem Wert; sie hätten ansonsten von ihm selbst oder seinen festangestellten Mitarbeitern ausgeführt werden müssen. Es entlastet den Arbeitgeber auch nicht, dass er den Leistungsempfängern eine Hinzuverdienstmöglichkeit einräumen wollte; dies berechtigt ihn nicht, Arbeitsleistungen in einem Umfang abzufordern, der zu einem sittenwidrig niedrigen Stundenlohn führt.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 42 vom 12.11.2014
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