08.09.2015

Bundesverfassungsgericht muss über Zuständigkeit für wichtige arbeitsrechtliche Fragen schnell entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht hat einer klagenden Arbeitnehmerin eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens zugesprochen. Streitgegenstand der angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen war ein auf die Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gestützter Schadensersatzanspruch. Diese zentrale arbeitsrechtliche Frage hätte einer beschleunigten Klärung bedurft.

BVerfG 20.8.2015, 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin machte im Ausgangsverfahren vor den Arbeitsgerichten u.a. geltend, sie sei gegenüber einem männlichen Kollegen in vergleichbarer Position schlechter bezahlt worden, und begehrte die Nachzahlung der Gehaltsdifferenz. Insoweit blieb ihre Klage jedoch in allen Instanzen erfolglos. Hiergegen erhob sie am 24.3.2009 Verfassungsbeschwerde.

Sowohl der Erste als auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hielten sich jeweils für zuständig. Daraufhin entschied der Ausschuss für Zuständigkeitsfragen nach § 14 Abs. 5 BVerfGG am 13.10.2010, dass der Zweite Senat zuständig sei. Eine Änderung der Senatszuständigkeiten begründete in der Folge aber die Zuständigkeit des Ersten Senats, der das Verfassungsbeschwerdeverfahren am 17.10.2013 übernahm. Es wurde letztlich durch Nichtannahmebeschluss vom 8.9.2014 abgeschlossen.

Die Gründe:
Obwohl die Gesamtdauer des Verfahrens nicht ohne Weiteres unangemessen erscheint, ist die Verfahrensdauer in einem Umfang von insgesamt 30 Monaten als unangemessen anzusehen. Die Unangemessenheit ergibt sich hier daraus, dass die Senatszuständigkeit zunächst eineinhalb Jahre ungeklärt blieb und die Sache dann nach der Änderung der Geschäftsverteilung für einen weiteren Zeitraum von einem Jahr und zehn Monaten nicht an den nunmehr zuständigen Senat abgegeben wurde.

Die Feststellung des gesetzlichen Richters im Ausschuss nach § 14 Abs. 5 BVerfGG hätte unverzüglich erfolgen müssen, da die Bedeutung des zugrunde liegenden Rechtsstreits für die Beschwerdeführerin hoch einzuschätzen ist. Denn die Frage, ob sie bei der Höhe ihres Lohns aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde, stellt eine zentrale Frage ihres arbeitsrechtlichen Status dar, die auch im Interesse der Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Betrieb und wegen ihrer Bedeutung für vergleichbare Fälle einer schnelleren Klärung zuzuführen gewesen wäre. Ohne die Feststellung der Zuständigkeit kann die eigentliche Bearbeitung der Sache aber nicht beginnen.

Da die Bestimmung der Zuständigkeit nach der Änderung der Senatszuständigkeiten auf die Auslegung der Geschäftsverteilung beschränkt war, stellt auch der Zeitraum zwischen der Zuständigkeitsänderung und der Übernahme der Sache durch den Ersten Senat eine unangemessene Verzögerung dar.

Linkhinweise:
Für den auf den Webseiten des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier. Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier.

BVerfG PM Nr. 66/2015 vom 4.9.2015
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