18.05.2011

Freistellung während der Kündigungsfrist unter Anrechnung von Urlaubstagen muss eindeutig formuliert sein

Kündigt der Arbeitgeber und stellt den Arbeitnehmer ab sofort unter Anrechnung von Urlaub frei, so muss für den Arbeitnehmer eindeutig erkennbar sein, in welchem Umfang die Urlaubsansprüche erfüllt werden sollen. Zweifel gehen zulasten des Arbeitgebers. Reicht der Freistellungszeitraum über die Jahresgrenze hinaus, muss daher z.B. klar sein, ob der volle Urlaubsanspruch für das neue Jahre erfüllt werden soll oder nur der auf die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entfallende Teilanspruch.

BAG 17.5.2011, 9 AZR 189/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei dem beklagten Bankunternehmen angestellt. Am 13.11.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.3.2007. Gleichzeitig stellte der Beklagte den Kläger ab sofort unter Anrechnung der Urlaubstage und unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig entschieden, dass die Kündigung unwirksam war.

Mit seiner Klage machte der Kläger die Gewährung von Resturlaubstagen für 2007 und hilfsweise die Abgeltung des Urlaubs geltend. Zur Begründung machte er geltend, dass der Beklagte durch die Freistellungserklärung allenfalls den bis zum Ende der Kündigungsfrist entstandenen Teilurlaubsanspruch für 2007 erfüllt habe und nicht den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007.

Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob das BAG die Vorentscheidungen auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen weiteren Urlaubs-(abgeltungs)anspruch für 2007. Dem steht die mit der Kündigung im November 2006 ausgesprochene Freistellung nicht entgegen.

Die Freistellung eines Arbeitnehmers zum Zweck der Gewährung von Erholungsurlaub erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers und ist nach den §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Arbeitnehmers auszulegen. Die Erklärung muss für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllen will. Zweifel gehen dabei zulasten des Arbeitgebers. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, den Umfang der Freistellung eindeutig festzulegen.

Nach diesen Grundsätzen war die Freistellungserklärung im Streitfall nicht hinreichend eindeutig. Der Kläger konnte ihr nicht entnehmen, ob der Beklagte u.a. den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.3.2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllen wollte.

Hintergrund:
Der Kläger hatte sich zur Begründung des Erfordernisses einer konkreten Angabe zu den Urlaubstagen auch auf die sog. Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 20.1.2009, Rs. C-350/06 u. C. 520/06) berufen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
  • Die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte "Schultz-Hoff-Entscheidung" finden Sie hier.
BAG PM Nr. 37 vom 17.5.2011
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