30.01.2014

Insolvenz: Gehaltszahlungen unterliegen auch bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht immer der Vorsatzanfechtung

Eine Vorsatzanfechtung i.S.v. § 133 InsO ist auch möglich, wenn ein Entgelt als Gegenleistung für die in engem zeitlichen Zusammenhang dazu erbrachte gleichwertige Arbeitsleistung gezahlt wird und damit ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO vorliegt. Für die Frage, ob der Arbeitgeber i.S.v. § 133 InsO mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat, ist die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit zwar ein wichtiges Indiz. Diese Kenntnis allein lässt aber nicht zwingend auf einen Vorsatz i.S.v. § 133 InsO schließen.

BAG 29.1.2014, 6 AZR 345/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der S AG (Schuldnerin). Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 als Alleinbuchhalterin bei der Schuldnerin beschäftigt. Diese war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Gleichwohl erhielt die Beklagte - wie auch die anderen Beschäftigten der S AG - ihr Entgelt stets zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt. In ihrer Arbeitsbilanz vom 30.4.2007 hatte sie einen Verlust ausgewiesen, der ca. dreimal so hoch war wie das Kapital der Schuldnerin.

Im September 2007 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er begehrte unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung die Rückzahlung des für die Zeit von Januar bis Juli 2007 an die Beklagte gezahlten Nettoentgelts von rund 10.000 Euro zur Insolvenzmasse. Zur Begründung machte er geltend, dass auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Wege des Bargeschäfts bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vorlägen.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung der in der ersten Jahreshälfte 2007 von der Schuldnerin an sie geleisteten Arbeitsvergütung verlangen.

Die Zahlungen unterliegen nicht der sog. Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO. Hiernach können zwar in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Entgeltzahlungen angefochten werden, wenn der Arbeitgeber mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung diesen Vorsatz kannte. Eine solche Vorsatzanfechtung ist auch möglich, wenn das Entgelt - wie hier - als Gegenleistung für die in engem zeitlichen Zusammenhang hierzu erbrachte gleichwertige Arbeitsleistung gezahlt wird und damit ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vorliegt.

Erforderlich für die Vorsatzanfechtung ist aber, dass der Arbeitgeber mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hatte. Dies kann nur aus Indizien hergeleitet werden. Ein Indiz von besonderer Bedeutung ist insoweit die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

Allerdings sind die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich der Wille des Arbeitgebers auch bei Kenntnis von der eigenen Zahlungsunfähigkeit darauf beschränken, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung des Unternehmens nötige Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass ihm eine damit verbundene Gläubigerbenachteiligung bewusst wird.

Nach diesen Grundsätzen scheidet im Streitfall eine Insolvenzanfechtung aus. Das LAG hat im Hinblick auf den Bargeschäftscharakter der Entgeltzahlungen rechtsfehlerfrei für den Einzelfall die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint. Es konnte deshalb offenbleiben, ob bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 129 ff. InsO das Existenzminimum von der Anfechtung nicht erfasst wird.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 6/14 vom 29.1.2014
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