25.02.2014

Jobcenter können Arbeitgeber bei Dumpinglöhnen auf Erstattung von Aufstockungsbeiträgen in Anspruch nehmen

Müssen Arbeitnehmer Aufstockungsleistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen, weil ihr Arbeitgeber ihnen sittenwidrig geringe Löhne zahlt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Jobcenter die gezahlten Aufstockungsbeiträge zu erstatten, wenn die Arbeitnehmer bei einem angemessenen Lohn nicht oder nur teilweise hilfebedürftig gewesen wären.

ArbG Eberswalde 10.9.2013, 2 Ca 428/13
Der Sachverhalt:
Kläger des Verfahrens ist ein Jobcenter, das im Rahmen der Grundsicherung als Hilfe zum Lebensunterhalt Aufstockungsleistungen an acht Arbeitnehmer des Beklagten gezahlt hat. Der Beklagte betreibt einen Pizzaservice mit zwei Filialen. Er hatte den acht fraglichen Mitarbeitern, die er als Pizzabäcker, Küchenhilfen und Fahrer einsetzte, Stundenlöhne zwischen 1,59 € und 3,46 € brutto pro Arbeitsstunde gezahlt.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Erstattung von Aufstockungsleistungen i.H.v. insgesamt 10.726,11 Euro aus übergegangenem Recht in Anspruch. Das Arbeitsgericht gab der Klage im September 2013 statt. Die hiergegen gerichtete Berufung nahm der Beklagte nunmehr zurück, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten aus § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt gegen seinen Arbeitgeber auf den Leistungsträger über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat.

Im Streitfall hat der Beklagte den Anspruch seiner Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt deshalb nicht erfüllt, weil er ein sittenwidrig niedriges Entgelt gezahlt hat. Der Kläger hat insoweit zu Recht auf die im Hotel- und Gaststättengewerbe in der Wirtschaftsregion üblicherweise an gering Qualifizierte gezahlte Vergütung abgestellt und dabei seine aus den Arbeitsvermittlungen erworbenen Kenntnisse zugrunde gelegt. Danach beträgt der übliche Stundenlohn 6,78 Euro. Mangels hinreichender Tarifbindung ist diese Zahl als Vergleichsmaßstab geeigneter als der einschlägige Tariflohn.

Da der vom Beklagten gezahlte Lohn unter zwei Dritteln der üblichen Vergütung liegt, ist der Wucherlohn-Tatbestand des i.S.v. § 138 Abs. 2 BGB objektiv erfüllt. Der Beklagte hat zudem nicht die aus diesem groben Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt folgende Vermutung einer verwerflichen Gesinnung widerlegt.

Dem Rückforderungsanspruch steht nicht entgegen, dass zumindest das Arbeitsentgelt der Fahrer des Beklagten möglicherweise durch Trinkgelder erhöht wurde. Da der Beklagte insoweit keine konkrete Summe angegeben hat, kann nicht geprüft werden, ob die Trinkgelder zu einer signifikanten Aufbesserung des Stundenlohns geführt haben. Angesichts dessen kommt es nicht einmal darauf an, dass etwaige Trinkgelder, die durch Dritte gezahlt werden, auf Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers nicht angerechnet werden können.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 6/14 vom 21.2.2014
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