05.04.2016

Kein Anspruch auf Sozialhilfe für erwerbsfähige Unionsbürger

Erwerbsfähige EU-Bürger, die aufgrund eines gesetzlichen Ausschlusses keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) erhalten können, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder sie kein Aufenthaltsrecht mehr haben, haben auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Der Rechtsprechung des BSG, wonach bei einem Aufenthalt von Unionsbürgern im Bundesgebiet von mindestens sechs Monaten Sozialhilfe geleistet werden muss, weil das vom Gesetz vorgesehene Ermessen der Sozialhilfeträger zur Leistung in diesen Fällen auf Null reduziert sei, ist nicht zu folgen.

SG Speyer 29.3.2016, S 5 AS 493/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist irische Staatsangehörige. Im Rahmen ihrer Aufenthaltsanzeige gab sie an, zur Arbeitssuche eingereist zu sein. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) lehnte der Beklagte ab. In der Folgezeit arbeitete die Klägerin drei Monate in geringfügigem Umfang und war danach auf Arbeitssuche.

Die Klägerin führte aus, dass der Leistungsausschluss nach dem SGB II gegen das europäische Gleichbehandlungsverbot verstoße. Zudem habe sie bereits eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut. Wenn sie keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende habe, bestehe nach der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch auf Sozialhilfe.

Das SG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat weder Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende noch auf Sozialhilfe.

Entscheidend ist, dass sich das Aufenthaltsrecht der Klägerin alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, da sie weniger als ein Jahr in Deutschland tätig war. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) verstößt nicht gegen europäisches Recht. Auch einen Anspruch auf Sozialhilfe besteht nach der Entscheidung nicht. Der Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen, da sie sich über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt.

Einer Vorlage an das BVerfG bedurfte es vorliegend nicht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages aus Art. 20 Abs. 1 GG zwar verpflichtet, materiell bedürftigen Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Daraus folgt allerdings nicht zwangsläufig ein Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfe. Denn anders als bspw. Asylbewerbern ist es Unionsbürgern regelmäßig möglich, ohne drohende Gefahren für hochrangige Rechtsgüter (etwa durch politische Verfolgung) in ihr Heimatland zurückzukehren und dort staatliche Unterstützungsleistungen zu erlangen.

SG Speyer PM Nr. 3 vom 4.4.2016
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