07.01.2015

Kein pauschaler Aufschlag: Auch bei geringfügig Beschäftigten bemisst sich die Sittenwidrigkeit des Lohns nach dem ausgezahlten Betrag

Im Bereich geringfügiger Beschäftigung ist zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit des gezahlten Lohns kein pauschaler Aufschlag vorzunehmen, um den Nettocharakter der empfangenen Zahlung auszugleichen und eine Vergleichbarkeit mit dem üblichen Brutto(stunden)lohn zu ermöglichen. Denn regelmäßig liegen trotz der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Zahlungen Bruttolohnvereinbarungen vor. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie ein solcher Abschlag pauschal zu bemessen wäre.

LAG Düsseldorf 19.8.2014, 8 Sa 764/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten als Busbegleitung beschäftigt. Ihre Aufgabe bestand darin, gemeinsam mit einer Busfahrerin körperlich und geistig behinderte Schüler morgens an bestimmten Zustiegspunkten abzuholen, zur Schule zu bringen, nachmittags an der Schule wieder abzuholen und nach Hause zu bringen.

Die morgendliche Tour dauerte von 6:45 Uhr bis 8.50 Uhr und die Nachmittagstour von 13.30 Uhr bis 15.50 Uhr. Pro Arbeitstag erhielt die Klägerin zwei Tourpauschalen i.H.v. jeweils 7,50 Euro und damit insgesamt 15 Euro. Das Arbeitsentgelt erhielt sie nur bei erbrachter Arbeitsleistung. Entgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit leistete die Beklagte nicht; sie gewährte der Klägerin auch keinen bezahlten Erholungsurlaub.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin eine Vergütung gemäß dem Tarifstundenlohn für das private Omnibusgewerbe in NRW von 9,76 Euro brutto, weil die ihr gezahlte Vergütung sittenwidrig sei. Die Beklagte meinte, sie habe die Klägerin rechtmäßig vergütet, zumal wenn man den Nettolohncharakter der Zahlungen berücksichtige. Insoweit sei ein pauschaler Aufschlag von 25 Prozent vorzunehmen.

Das LAG gab der Klage dem Grunde nach statt. Es ließ allerdings die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte weitere Vergütungsansprüche. Der gezahlte Lohn von 15 Euro pro Arbeitstag war sittenwidrig niedrig, weil die Klägerin täglich eine Arbeitsleistung von 4 Stunden und 25 Minuten erbrachte. Zur Arbeitszeit gehörten nach der tatsächlichen Handhabung der Parteien und der Art der geschuldeten Tätigkeit die Zeit ab der Abholung von der Wohnung und der Rückkehr dorthin sowie die Standzeiten an der Schule, welche für eine geordnete Übergabe und Aufnahme der beförderten Schüler erforderlich waren.

Der tatsächliche Stundenverdienst der Klägerin an Einsatztagen von 3,40 Euro war sittenwidrig niedrig. Der objektive Wert der Arbeitsleistung betrug 9,76 Euro brutto pro Stunde. Das allgemeine Lohnniveau wird durch den Tarifstundenlohn des privaten Omnibusgewerbes in Nordrhein-Westfalen bestimmt, weil mehr als 50 % der Arbeitgeber kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband organisiert sind. Die subjektive Verwerflichkeit ist gegeben. Die Klägerin hat auf die zugesprochenen Ansprüche weder wirksam verzichtet noch waren sie verfallen.

Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit war auch kein pauschaler Aufschlag wegen des Nettozuflusses der Tourpauschale an die Klägerin vorzunehmen. Die Parteien haben nicht etwa eine Nettotourpauschale vereinbart, sondern lediglich ein solche, die wegen der gesetzlichen Vorgaben und den persönlichen Verhältnissen der Klägerin steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Dies hätte bei weiteren Einkünften der Klägerin auch anders sein können. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, hätten solche weiteren Einkünfte vorgelegen, die dann anfallenden Abgaben hätte übernehmen sollen.

Linkhinweis:
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LAG Düsseldorf PM v. 23.12.2014
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