04.09.2015

Kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei Unterschreitung des Mindestlohns

Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Eingruppierung eines neuen Mitarbeiters nicht gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit der Begründung verweigern, die tarifliche Vergütung unterschreite den gesetzlichen Mindestlohn. Das Mitbestimmungsrecht soll lediglich eine ordnungsgemäße Einordnung in die jeweilige Vergütungsgruppe und nicht die Einhaltung des Mindestlohns sicherstellen. Verstößt das Entgelt gegen § 1 MiLoG, so ist die Vergütungsordnung zwar "insoweit", aber nicht insgesamt unwirksam. Der Arbeitnehmer hat dann unmittelbar einen Anspruch auf entsprechende Aufstockung seines Entgelts.

ArbG Dessau-Roßlau 12.8.2015, 10 BV 4/15
Der Sachverhalt:
Ein Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes wollte einen Rettungssanitäter einstellen, der nach der Entgeltgruppe 5/Stufe 1 des DRK-Tarifververtrags-LSA vergütet werden sollte. Der Betriebsrat widersprach der Eingruppierung. Zwar lagen seiner Einschätzung nach die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe vor. Die Bezahlung nach dieser Vergütungsgruppe führe aber bei der vorgesehenen Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zu einer Unterschreitung des Mindestlohns. Daher liege ein zur Zustimmungsverweigerung berechtigender Gesetzesverstoß vor (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).

Der Antrag des Kreisverbands auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Eingruppierung hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg.

Die Gründe:
Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Eingruppierung des Rettungssanitäters zu Unrecht verweigert. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts bei einer Eingruppierung ist nur die Kontrolle einer Vertragsbedingung. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG greift daher nur ein, wenn die Einstufung in eine durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegte Vergütungsgruppenregelung dem Tarifvertrag bzw. der Betriebsvereinbarung widerspricht.

Die Eingruppierung nach einer unwirksamen Vergütungsordnung ist zwar stets als Gesetzesverstoß anzusehen, der zur Zustimmungsverweigerung berechtigt. Die hier streitige Vergütungsordnung ist jedoch nicht insgesamt unwirksam. Denn nach § 3 MiLoG sind Vereinbarungen lediglich "insoweit" unwirksam, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien von den übrigen Regelungen des Tarifvertrags Abstand genommen hätten, wenn sie diese Teilunwirksamkeit erkannt hätten (§ 139 BGB).

Im Übrigen ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien und nicht des Betriebsrats, die Vereinbarkeit der Tabellenentgelte mit dem Mindestlohngesetz sicherzustellen. Es kann auch nicht sein, dass Eingruppierungen und damit praktisch Einstellungen nicht vorgenommen werden können, solange die Tarifvertragsparteien die Tabellenentgelte nicht an das Mindestlohngesetz angepasst haben. Wann und wie die Anpassung an die Rechtslage erfolgt, ist jedoch Sache der Tarifvertragsparteien und darf durch die Betriebsverfassungsorgane grds. nicht beeinflusst werden.

Die betroffenen Arbeitnehmer sind trotzdem nicht schutzlos gestellt. Sie haben unmittelbar einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Aufstockung des Tabellenentgelts bis zur Höhe des Mindestlohns.

ArbRB
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