13.11.2018

Keine Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge bei Freistellung von der Arbeit wegen Abbaus von Mehrarbeitsstunden

Einem Arbeitnehmer stehen keine Ansprüche auf tarifliche Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nacharbeitszuschläge für Zeiten zu, in denen er wegen Abbaus von Mehrarbeitsstunden tatsächlich nicht gearbeitet hat. Es würde dem Zweck der Zuschlagsregelungen zuwiderlaufen, besondere Erschwernisse wegen der ungünstigen Arbeitszeiten auszugleichen, wenn diese auch bei Freistellung von der Arbeit gezahlt würden.

BAG 19.9.2018, 10 AZR 496/17
Der Sachverhalt:

Der Kläger arbeitet für die Beklagte als Fluglotse. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme u.a. der Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (MTV) vom 19.11.2004 in den Fassungen vom 6.5.2010 und vom 16.5.2012 Anwendung. Die Fassungen sind in den für die Revision erheblichen Teilen wortgleich.Die Arbeitszeit ist nach § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 MTV grundsätzlich auf die Arbeitstage Montag bis Freitag der Woche zu verteilen. Es ist aber auch eine Verteilung auf Samstag, Sonntage und Feiertage zulässig. Der Kläger nimmt als Fluglotse an der sog. flexiblen Schichtplanung teil. Für ihn wird ein Arbeitszeitkonto geführt. § 14 MTV regelt wie Mehrarbeitsstunden entstehen und wie sie abgebaut werden können.

In der Zeit vom 25.2.2012 bis 25.4.2014 beantragte und erhielt der Klägerin in insgesamt 24 Fällen Mehrarbeitsstundenabbau. In allen diesen Fällen betraf der Stundenabbau Zeiten, zu denen der Kläger im Schichtplan zu Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und/oder Nachtarbeit eingeteilt war. Nach § 20 MTV erhält der Arbeitnehmer für Arbeiten an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und in der Nacht sog. Zeitzuschläge. Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Zeiten des Abbaus von Mehrarbeitsstunden nur die Vergütung nach § 18 MTV, aber keine Zeitzuschläge nach § 20 MTV.

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte schulde ihm auch Zeitzuschläge für Zeiten der Arbeitsbefreiung zum Abbau von Mehrarbeit. Er erhob daher Klage auf Zahlung der Zuschläge i.H.v. rd. 1.200 € brutto. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem LAG Erfolg. Die Revision des Klägers blieb vor dem BAG ohne Erfolg.

Die Gründe:

Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf tarifliche Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nacharbeitszuschläge für Zeiten zu, in denen er wegen Abbaus von Mehrarbeitsstunden nicht gearbeitet hat.

Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. mit den Grundsätzen des Annahmeverzugs nach §§ 615, 293 ff. BGB stützen, denn die Beklagte war mit der Annahme der Dienste des Klägers nicht in Verzug. Für den Kläger bestand weder eine Pflicht zu Arbeitsleistung noch für die Beklagte eine Pflicht zur Beschäftigung des Klägers. Der Kläger ist im Streitfall von der Arbeit befreit, daher schuldet er dem Arbeitgeber keine Dienste. Er kann dem Arbeitgeber nicht seine Arbeitskraft anbieten, so dass dieser auch nicht in Gläubigerverzug geraten kann. Es besteht keine Mitwirkungspflicht nach § 296 BGB. Für die Dauer eine Freistellung von der Arbeit ist dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung i.S.v. § 297 BGB rechtlich unmöglich. § 611 Abs. 1 i.V.m. § 615 S. 1 BGB begründet zudem keinen Anspruch auf Beschäftigung zu bestimmten zuschlagspflichtigen Zeiten.

Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 14, 20 MTV stützen. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere weder aus den Regelungen zum Arbeitszeitkonto noch aus der tarifvertraglichen Zuschlagsregelung selbst. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit seinen Vergütungsanspruch aus. Die Zeitgutschrift ist lediglich eine abstrakte Recheneinheit. Daher kommt es für den Abbau des Arbeitszeitkontos nur noch auf die Höhe des Zeitguthabens an. Der Abbau der Mehrarbeitsstunden erfolgt durch Freizeitausgleich. Freizeit ist das Gegenteil von Arbeitszeit. Der Kläger hat an den Tagen, für die er Zuschläge begehrt nicht gearbeitet. Damit steht ihm kein Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB zu. Einen allgemeinen Entgeltfortzahlungsanspruch ohne gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung gibt es nicht. § 14 MTV trifft keine eigenständige Reglung, in welcher Höhe der Vergütungsanspruch entsteht, so dass er der allgemeinen Vergütungsregelung folgt.

Soweit der Kläger Ansprüche auf die tarifvertraglichen Zuschläge geltend macht, muss er die Voraussetzungen des § 20 MTV erfüllen. Das ist vorliegend nicht der Fall, da die Zuschläge gem. § 20 MTV nur für geleistete Samstags-, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt wird und der Kläger zu diesen Zeiten gerade nicht gearbeitet hat. Allein der Umstand, dass er im Schichtplan ursprünglich für Arbeit zu zuschlagspflichtigen Zeiten eingeteilt war, aber wegen Mehrarbeitsstundenabbau davon befreit wurde, reicht nicht aus, um einen Anspruch zu begründen. Sinn und Zweck des § 20 MTV ist es besondere Erschwernisse auszugleichen, die durch ungünstige Arbeitszeiten entstehen. Daher wäre es widersprüchlich würden die Zuschläge gezahlt, wenn gerade keine Erschwernisse vorliegen und der Arbeitnehmer davon befreit ist.

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