08.11.2012

Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit ist zulässig

Eine Regelung in einem Sozialplan, wonach der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt wird, verstößt nicht gegen das Unionsrecht. Dieses gewährt zwar jedem Arbeitnehmer - selbst bei Langzeiterkrankung - einen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Kurzarbeiter sind aber weniger mit erkrankten Arbeitnehmern als mit Teilzeitbeschäftigten vergleichbar, bei dem der Urlaubsanspruch ebenfalls anteilig gekürzt werden kann.

EuGH 8.11.2012, C-229/11 u. C-230/11
Der Sachverhalt:
Die Kläger des Ausgangsverfahrens, Herr Heimann und Herr Toltschin, waren bei einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, der Kaiser GmbH, beschäftigt. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kündigte das Unternehmen die Arbeitsverhältnisse zu Ende Juni bzw. August 2009. Die Arbeitsverträge waren jedoch aufgrund eines Sozialplans förmlich um ein Jahr verlängert worden.

Während dieser Zeit brauchten die Kläger nicht zu arbeiten ("Kurzarbeit Null"); das Unternehmen musste aber auch keine Löhne zahlen. Die Kläger erhielten allerdings von der Bundesagentur für Arbeit ein sog. "Kurzarbeitergeld".

Mit ihren Klagen verlangten die Kläger die Abgeltung des während der "Kurzarbeit Null" nicht genommenen Urlaubs. Das hiermit befasste Arbeitsgericht Passau setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten - wie etwa einem von einem Unternehmen und seinem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan - entgegensteht, nach denen sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Zeit, in der sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung der Beschäftigten verringert.

Der EuGH verneinte dies.

Die Gründe:
Das Unionsrecht steht einer Regelung in einem Sozialplan, wonach sich der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung (Pro-rata-temporis-Grundsatz) verringert, nicht entgegen.

Zwar verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht, wenn sie den Urlaub nicht nehmen konnten, weil sie während des gesamten Bezugszeitraums arbeitsunfähig erkrankt waren. Die Situation eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitszeit im Rahmen eines Sozialplans verkürzt wurde, unterscheidet sich aber grundlegend von der eines erkrankten Arbeitnehmers:

  • Im Rahmen einer Arbeitszeitverkürzung sind nämlich sowohl die Pflichten des Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers im Wege einer Betriebsvereinbarung suspendiert.
  • Außerdem kann der Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit verkürzt wurde, anders als ein erkrankter Arbeitnehmer, der unter durch eine Erkrankung hervorgerufenen physischen oder psychischen Beschwerden leidet, die gewonnene Zeit nutzen, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen.
  • Wäre der Arbeitgeber verpflichtet, während der Kurzarbeit für den bezahlten Jahresurlaub aufzukommen, könnte dies zudem dazu führen, dass er der Vereinbarung eines Sozialplans, der im Interesse des Arbeitnehmers eine Verlängerung des Arbeitsvertrags vorsieht, ablehnend gegenübersteht.

Vergleichbar ist die Situation des Kurzarbeiters vielmehr mit der eines Teilzeitbeschäftigten. Für diese Arbeitnehmergruppe hat der EuGH bereits mit Urteil vom 22.4.2010 (Rs. C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols) entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt werden kann.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.
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EuGH PM Nr. 142 vom 8.11.2012
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