04.08.2011

Maß der geschuldeten Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers ist nicht branchenabhängig

Ein Arbeitsunfall ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt worden, wenn dieser gewollt und für den Fall des Eintritts gebilligt worden war. Das Maß der geschuldeten Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nicht nach der jeweiligen Branche des Pflichtigen, sondern vielmehr nach den allgemein gültigen Sorgfaltsmaßstäben.

LAG Schleswig-Holstein 19.1.2011, 3 Sa 495/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin arbeitet bei der Beklagten als Krankenschwester in der Psychiatrieabteilung. Im Januar 2009 rutschte sie gegen 9:45 Uhr im Bereich einer neben dem Haupteingangsbereich des Klinikums liegenden Tür zu ihrer Abteilung auf dem Weg zum Dienstantritt aus und brach sich mehrfach den linken Oberarm.

Die Beklagte hatte zu dieser Zeit einen Räumdienst eingerichtet. Das Klinikgelände war infolgedessen geräumt und zum wesentlichen Teil auch gestreut. Die Klägerin hat stets behauptet, am Unfallort habe sich eine Eisplatte gebildet, die entgegen der sonstigen Flächen nicht geräumt bzw. abgestreut gewesen sei. Der Klinikleitung sei bekannt gewesen, dass der Eingangsbereich sehr schnell sehr glatt werde. Infolgedessen habe die Beklagte habe zumindest bedingt vorsätzlich ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt und habe deshalb Schadensersatz und auch Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 18.000 € zu leisten.

Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin vor dem LAG blieb erfolglos. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Beklagten konnte keine vorsätzliche Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten zur Last gelegt werden.

Bei dem Unfall handelte es sich um einen Arbeitsunfall, so dass sich die Haftungsfrage nach § 104 Abs. 1 SGB VII richtete. Danach ist Arbeitsunfall ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt worden, wenn dieser gewollt und für den Fall des Eintritts gebilligt worden war. Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles umfasst somit nicht nur die vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls, sondern auch des konkreten Verletzungserfolgs. Eine Haftung bei vorsätzlicher Pflichtverletzung mit ungewollter Unfallfolge ist somit ausgeschlossen.

Der Gesetzgeber hat sich insoweit mit der Schaffung des § 104 Abs. 1 SGB VII, vormals der §§ 636 ff RVO bewusst dafür entschieden, die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmern abzulösen und dadurch betriebliche Konfliktsituationen zu vermeiden. An die Stelle der privatrechtlichen Haftpflicht des Unternehmers wurde die Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer gesetzt. Auf diese Weise soll das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber, der die Beiträge zur Unfallversicherung allein aufbringt, kalkulierbar und Anlässe zu Konflikten im Betrieb eingeschränkt werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergab sich auch keine andere Bewertung aus der Tatsache, dass es sich bei der Beklagten um einen Krankenhausträger handelte. Denn das Maß der geschuldeten Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nicht nach der jeweiligen Branche des Pflichtigen, sondern vielmehr nach den allgemein gültigen Sorgfaltsmaßstäben.

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