24.05.2012

Schließung der "City BKK" führt nicht automatisch zur Beendigung aller Arbeitsverhältnisse

Die 1. Kammer des LAG-Baden-Württemberg hat entschieden, dass die zum 30.6.2011 erfolgte Schließung der "City BKK" nicht automatisch kraft Gesetzes zur Beendigung aller Arbeitsverhältnisse der dort Beschäftigten geführt hat. Anders als die 7. Kammer, die bereits am 18.5.2012 in zahlreichen Parallelverfahren entschieden hatte, gab sie damit den Klagen der Arbeitnehmer statt. Zur Begründung machte die 1. Kammer u.a. geltend, dass die die Beendigung anordnende Vorschrift auf ordentlich kündbare Arbeitnehmer nicht anwendbar sei.

LAG Baden-Württemberg 21.5.2012, 1 Sa 2/12 u.a.
+++ Der Sachverhalt:
Die Kläger waren bei der beklagten CityBKK beschäftigt und teilweise tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar. Mit Wirkung zum 30.6.2011 wurde die Krankenkasse wegen Überschuldung und Leistungsunfähigkeit geschlossen. Die §§ 164 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V sehen für einen solchen Fall vor, dass die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten vorbehaltlich eines für ordentlich nicht kündbare Beschäftigte vorgesehenen sog. Unterbringungsverfahrens mit dem Tag der Schließung automatisch enden.

Der BKK Landesverband Baden-Württemberg bot den ordentlich unkündbaren Klägern zwar eine Unterbringung bei einer anderen Betriebskrankenkasse an, allerdings ohne Anerkennung der bisherigen Dienstzeiten.

Mit ihren Klagen wandten sich die Kläger gegen die automatische Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse. Zur Begründung machten sie geltend, dass die gesetzlich angeordnete Beendigung gegen das Grundgesetz verstoße, weil der ansonsten für Arbeitnehmer geltende Kündigungsschutz unterlaufen werde. Die Beklagte verteidigte sich dagegen mit dem Argument, dass die Erhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems die Beendigung der Arbeitsverhältnisse ohne Ausspruch einer Kündigung und Einhaltung von Kündigungsfristen rechtfertige.

Das Arbeitsgericht wies die Klagen ab. Die hiergegen gerichteten Berufungen hatten vor der 1. Kammer des LAG Erfolg. Diese ließ allerdings die Revision zum BAG zu.

+++ Die Gründe:
Die Arbeitsverhältnisse der Kläger mit der Beklagten sind nicht gem. §§ 164 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V kraft Gesetzes zum 30.6.2011 beendet worden.

Für ordentlich kündbare Arbeitnehmer ergibt sich dies bereits daraus, dass § 164 Abs. 4 SGB V auf diese Arbeitnehmergruppe nicht anwendbar ist. Die Norm sieht nur eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit solchen Arbeitnehmern vor, die nicht bei einer anderen Krankenkasse untergebracht werden. Ordentlich kündbare Arbeitnehmer sind aber nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ausdrücklich von der Unterbringungspflicht ausgenommen. Mangels Unterbringungspflicht findet § 164 Abs. 4 SGB V daher bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmern keine Anwendung.

Auch die Arbeitsverhältnisse der ordentlich unkündbaren Kläger sind mit der Schließung der Beklagten nicht automatisch kraft Gesetzes beendet worden. Ihnen ist zwar eine Unterbringung bei einer anderen Betriebskrankenkasse angeboten worden, aber jeweils ohne Anerkennung der bisherigen Dienstzeit. Dieses Beschäftigungsangebot ist unzumutbar und genügt daher nicht der Unterbringungspflicht. Damit  sind die Voraussetzungen für die gesetzliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht erfüllt.

+++ Der Hintergrund:
Die City BKK war aus einer Fusion der ehemaligen BKK Berlin und der BKK Hamburg am 1.1.2004 entstanden und fusionierte danach am 1.1.2005 mit der BKK Bauknecht und BKK beneVita. Sie hatte am 1.4.2011 rund 168.000 Versicherte, davon waren ca. 136.000 Mitglieder der BKK. Zahlreiche Arbeitnehmer der City BKK haben im gesamten Bundesgebiet Klage gegen die gesetzlich angeordnete Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse erhoben.

Ähnlich wie die 1. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat auch das LAG Berlin-Brandenburg entschieden und den Klagen stattgegeben (Urt. v. 12.4.2012, Az.: 2 Sa 15/12 u.a., mehr hierzu unter http://www.arbrb.de/news_26319.html). Die 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat demgegenüber am 18.5.2012 die Klagen der City-BKK-Beschäftigten abgewiesen (Az.: 7 Sa 13/12 u.a.). Sie argumentiert wie folgt:

  • § 164 Abs. 4 SGB V sei auf ordentlich kündbare Arbeitnehmer anwendbar. Insoweit bestehe lediglich keine Unterbringungspflicht, so dass die Arbeitsverhältnisse auch ohne Unterbringungsangebot automatisch mit der Schließung der Krankenkasse endeten.
  • Im Hinblick auf die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer sei in den Streitfällen die Unterbringungspflicht erfüllt worden.
  • Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse greife zwar in das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ein. Der Eingriff diene aber der Sicherung des Systems der gesetzlichen Krankenkassen und sei damit aus wichtigen Gemeinwohlgründen gerechtfertigt.
LAG Baden-Württemberg PM vom 21.5.2012
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