08.06.2015

Sitzstreik im Büro des Vorgesetzten zur Durchsetzung einer Gehaltserhöhung kann eine Kündigung rechtfertigen

Ein mehrstündiger Sitzstreik im Büro des Vorgesetzten zur Durchsetzung einer außertariflichen Gehaltserhöhung kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Das gilt z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer eine Führungskraft mit Vorbildfunktion ist und den Sitzstreik trotz Deeskalationsversuche des Arbeitgebers und der Androhung einer Kündigung nicht beendet.

LAG Schleswig-Holstein 6.5.2015, 3 Sa 354/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Leiterin einer Abteilung mit 300 Mitarbeitern. In dieser Funktion war sie in die höchste tarifliche Entgeltgruppe eingruppiert. Sie begehrte allerdings eine Vergütung als außertarifliche Angestellte. Dies sprach sie in zahlreichen Gesprächen immer wieder an.

Nachdem der Niederlassungsleiter die Forderung in einem Gespräch erneut zurückgewiesen und die Klägerin zum Verlassen des Raumes aufgefordert hatte, erklärte diese, dass sie erst dann gehe, wenn ihre Forderung erfüllt werde. Auch ein Hinweis auf das Hausrecht und eine gesetzte Frist änderten daran nichts. Die Vorgesetzten verließen dann den Raum; die Klägerin blieb sitzen. Sie schlug auch eine Stunde später jegliche Vermittlung, z.B. durch ihren Ehemann oder den Betriebsrat aus. Selbst die Drohung mit der Polizei und mit einer Kündigung blieb erfolglos. Erst knapp drei Stunden nach Beginn des Sitzstreiks verließ die Klägerin unter Polizeibegleitung den Betrieb.

Am nächsten Tag versandte die Klägerin eine E-Mail an zahlreiche Empfänger, in der sie auf ihre eigene Verhaltensweise nicht einging und das Verhalten des Niederlassungsleiters mit dem Ausspruch kommentierte: "Wer solche Vorgesetzte hat, benötigt keine Feinde mehr". Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise mit ordentlicher Kündigungsfrist. Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur hinsichtlich der fristlosen Kündigung Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zwar nicht wirksam fristlos gekündigt. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist aber wirksam.

Die Klägerin hat eine besonders schwere Pflichtverletzung begangen. Diese rechtfertigt allerdings unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere unter Berücksichtigung ihrer 22-jährigen beanstandungsfreien Beschäftigungszeit lediglich eine ordentliche und keine fristlose Kündigung.

Die auch im Rahmen der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Klägerin aus. Sie hat weder auf die Deeskalationsversuche der Beklagten noch auf die Androhung einer Kündigung reagiert. Im Übrigen wiegen ihre Pflichtverletzungen wegen ihrer Vorbildfunktion als Vorgesetzte besonders schwer. Zu ihrem Nachteil waren darüber hinaus ihre bewusst lückenhafte Sachverhaltsdarstellung und die falschen Anschuldigungen in der E-Mail zu werten. Bei dieser Sachlage hätte eine weitere Abmahnung zur  Wiederherstellung des notwendigen Vertrauens nicht ausgereicht.

LAG Schleswig-Holstein PM Nr. 4/15 vom 3.6.2015
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