11.05.2015

Tarifeinheitsgesetz weiterhin stark umstritten

Das Tarifeinheitsgesetz ist unter Experten weiterhin stark umstritten. Das hat eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales am 4.5.2015 ergeben. Zweifel bestehen sowohl an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung als auch an ihrer Praktikabilität und ihrer Geeignetheit zur Erreichung der damit verfolgten Ziele. Zudem gehen einigen Experten die Änderungen nicht weit genug.

Die Befürworter: DGB, BDA und Papier
DGB-Chef Reiner Hoffmann bezeichnete den Entwurf als "Chance, die Kooperation der Gewerkschaften zu stärken". Ohne eine gesetzlich fixierte Tarifeinheit sei zu befürchten, dass sich die Tariflandschaft weiter zersplittere.

Für das Gesetz sprach sich auch Reinhard Göhner von der BDA aus: Das Gesetz sei notwendig, denn Tarifkollisionen stellten viele Betriebe vor große praktische Probleme und müssten deshalb "aufgelöst" werden. Zudem könne ein solches Gesetz möglicherweise auch "Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen" haben und eine "vorbeugende Wirkung" entfalten.

Ebenfalls für das Tarifeinheitsgesetz sprach sich der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier aus: Der Gesetzgeber habe die Pflicht, die durch das Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit gesetzgeberisch auszugestalten. Der Gesetzentwurf zur Auflösung von Tarifkollisionen sei kein Eingriff in die Koalitionsfreiheit im "engeren verfassungsrechtlichen Sinn", sondern eine Ausgestaltung des Tarifvertragssystems.

Die Kritiker: Thüsing, Däubler, Baum
Prof. Dr. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, sprach sich zwar grds. für das Ziel aus, die Zersplitterung der Tariflandschaft gesetzlich verhindern zu wollen. Er äußerte jedoch in einigen Punkten deutliche Zweifel an den im Entwurf vorgeschlagenen Mitteln. Auch glaube er nicht, dass das Gesetz Kooperationsanreize setze oder geeignet sei, Streiks zu verhindern.

Prof. Dr. Wolfgang Däubler verwies darauf, dass die Arbeitgeberseite künftig durch legale Maßnahmen die Struktur der Arbeitnehmerseite so beeinflussen könne, dass die von ihr geschätzte Gewerkschaft die Mehrheit im Betrieb habe. Das greife aber in die Unabhängigkeit der Gewerkschaften ein und lasse sich nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren. Außerdem sei es fraglich, wie festgestellt werden solle, welche Gewerkschaft die Mehrheitsgewerkschaft sei.

Gerhart Baum bezeichnete den Entwurf als Eingriff in das Streikrecht und deshalb als nicht verfassungskonform. Er kündigte an, ggf. gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.

Mehr zum Thema:
Im AuS-Gesetzgebungsreport finden Sie unter www.arbrb.de/gesetzgebung/38206.htm weitere Informationen, Stellungnahmen und Materialien zum geplanten Tarifeinheitsgesetz.

Bundestag PM vom 4.5.2015
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