08.07.2011

Täuschung im Bewerbungsgespräch rechtfertigt nur bei Ursächlichkeit für die Einstellung eine Anfechtung

Beantwortet ein Bewerber eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch falsch, so kann der Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein. Das gilt aber nur, wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber in der Klageerwiderung erklärt, er hätte den Arbeitnehmer unabhängig von der Antwort auf die Frage (hier: nach einer etwaigen Schwerbehinderung) eingestellt.

BAG 7.7.2011, 2 AZR 396/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit März 2007 bei dem beklagten Softwareunternehmen im Außendienst beschäftigt. Bei ihrer Einstellung hatte sie die Frage nach einer Schwerbehinderung verneint, obwohl sie seit 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist. Erst als der Beklagte der Klägerin im Oktober 2008 nahelegte, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, informierte sie ihn über ihre Schwerbehinderung.

Der Beklagte erklärte daraufhin die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung und eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtung noch durch die Kündigung beendet worden sei. Ferner machte sie eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG geltend. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Frage nach der Schwerbehinderung nicht diskriminierend gewesen sei. Er habe die Frage nach der Schwerbehinderung in erster Linie deshalb gestellt, weil er seine "Schwerbehindertenquote" habe erhöhen wollen.

Das BAG gab - wie die Vorinstanzen - den Feststellungsanträgen statt und wies die Entschädigungsklage ab.

Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtungserklärung noch durch die Kündigung des Beklagten aufgelöst worden.

Zwar kann die falsche Beantwortung einer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage den Arbeitgeber grds. zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigen. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kommt zudem auch eine Kündigung in Betracht. Das gilt aber jeweils nur, wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war.

Nach diesen Grundsätzen schied hier sowohl eine Anfechtung als auch eine Kündigung aus. Dabei konnte offenbleiben, ob die Frage nach einer Schwerbehinderung im Einstellungsgespräch zulässig ist. Dies ist zwar seit In-Kraft-Treten des § 81 Abs. 2 SGB IX und des AGG umstritten. Im Streitfall kommt es hierauf aber nicht an, weil die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags nicht ursächlich war. Denn die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.

Die Beklagte kann die Anfechtung und die Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort.

Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Dabei konnte offenbleiben, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 58 vom 7.7.2011
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