13.03.2023

UEFA-Nachwuchsspielerregelungen laut Generalanwalt unvereinbar mit EU-Freizügigkeitsregeln

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar sind die UEFA-Nachwuchsspielerregelungen teilweise unvereinbar mit dem Unionsrecht. Systeme, in denen Spieler als Nachwuchsspieler gelten, die nicht nur vom betreffenden Verein, sondern auch von anderen Vereinen in derselben nationalen Liga ausgebildet wurden, seien nicht vereinbar mit den Freizügigkeitsregeln.

EuGH, C-680/21: Schlussanträge des Generalanwalts v. 9.3.2023
Ab der Saison 2008/2009 schrieb die Union of European Football Associations (Union Europäischer Fußballverbände, UEFA) Fußballvereinen vor, mindestens acht Nachwuchsspieler auf einer Spielerliste von maximal 25 Spielern einzutragen. Nachwuchsspieler werden als Spieler definiert, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Verein oder einem anderen Verein in derselben nationalen Liga ausgebildet wurden. Von diesen acht Spielern müssen mindestens vier von dem betreffenden Verein ausgebildet worden sein.

Auf der Grundlage dieser Regelungen erließ die Union royale belge des sociétés de football association (Königlicher Belgischer Fußballverband, URBSFA) im Wesentlichen ähnliche Regelungen für Fußballvereine, die an den Profifußballdivisionen teilnehmen. Im Gegensatz zu den UEFA-Regelungen verlangen die belgischen Regelungen jedoch nicht, dass vier von den acht Nachwuchsspielern vom betreffenden Verein ausgebildet worden sein müssen.

Vor dem Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) machen UL (ein Profifußballspieler) und Royal Antwerp (ein Profifußballverein) im Wesentlichen geltend, dass die UEFA- und URBSFA-Nachwuchsspielerregelungen gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU verstießen. Ihrer Ansicht nach schränken diese Regelungen für einen Profifußballverein die Möglichkeit ein, Spieler, die die Voraussetzung lokaler oder nationaler Wurzeln nicht erfüllten, zu verpflichten und in einem Spiel aufzustellen. Diese Regelungen beschränkten auch für einen Spieler die Möglichkeit, von einem Verein, in Bezug auf den er sich nicht auf solche Wurzeln berufen könne, verpflichtet und aufgestellt zu werden. Das belgische Gericht legte dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vor.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag erinnert Generalanwalt Szpunar zuallererst daran, dass sportliche Aktivitäten, die zum Wirtschaftsleben gehören, unter die Grundfreiheiten des Vertrags fallen.

Er argumentiert, dass die Nachwuchsspielerregelungen eine mittelbare Diskriminierung Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten bewirken können. Es sei nämlich eine Tatsache, dass, je jünger ein Spieler sei, desto größer die Wahrscheinlichkeit sei, dass er seinen Wohnsitz an seinem Herkunftsort habe. Daher seien es zwangsläufig Spieler aus anderen Mitgliedstaaten, die durch die beanstandeten Regelungen beeinträchtigt würden. Obwohl der Wortlaut neutral sei, begünstigten die beanstandeten Bestimmungen einheimische Spieler gegenüber Spielern aus anderen Mitgliedstaaten.

Eine solche mittelbare Diskriminierung könne jedoch gerechtfertigt sein: der Generalanwalt akzeptiert das Argument, dass die beanstandeten Bestimmungen definitionsgemäß geeignet seien, das Ziel der Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler zu erreichen. Was den Berufssport anbelangt, weist der Generalanwalt darauf hin, dass der Gerichtshof bereits seit dem wegweisenden Bosman Urteil davon ausgegangen sei, dass angesichts der beträchtlichen sozialen Bedeutung, die dem Sport und insbesondere dem Fußball in der Europäischen Union zukomme, der Zweck, die Anwerbung und die Ausbildung junger Spieler zu fördern, als legitim anzuerkennen sei.

Gleichwohl hegt der Generalanwalt gewisse Zweifel hinsichtlich der allgemeinen Kohärenz der beanstandeten Bestimmungen in Bezug auf die Definition des Nachwuchsspielers. Wenn ein Nachwuchsspieler, wie es sowohl nach dem Reglement der UEFA als auch nach dem der URBSFA der Fall sei, nicht nur ein Spieler sei, der von dem Verein selbst ausgebildet wurde, sondern auch einer, der von einem anderen Verein in derselben nationalen Liga ausgebildet wurde, fragt er sich, ob die beanstandeten Vorschriften tatsächlich zur Erreichung des Ziels, dass Vereine junge Spieler ausbilden, beitragen.

Diese Zweifel verstärkten sich offensichtlich, wenn eine große nationale Liga betroffen sei. Wenn ein Verein in einer großen nationalen Liga bis zur Hälfte der Nachwuchsspieler "kaufen" könne, würde der Zweck, diesen Verein zu ermutigen, junge Spieler auszubilden, vereitelt.

Daher hält der Generalanwalt zwar das Erfordernis, dass eine vorgegebene Zahl von Nachwuchsspielern auf einer einschlägigen Liste eingetragen werden muss, für gerechtfertigt, er kann aber - unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung - nicht den Zweck der Ausweitung der Definition des Nachwuchsspielers auf Spieler, die nicht einem bestimmten Verein, aber der betreffenden nationalen Liga angehören, nachvollziehen.

Die gleichen Erwägungen gölten für das Ziel der Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften. Wenn alle Vereine durch die beanstandeten Maßnahmen verpflichtet würden, junge Spieler auszubilden, dürfte der Wettbewerb zwischen den Mannschaften insgesamt ausgewogener werden. Auch dieses Ziel werde vereitelt, soweit Vereine auf Nachwuchsspieler aus anderen Vereinen derselben Liga zurückgreifen könnten.

Der Generalanwalt kommt deswegen zum Ergebnis, dass die beanstandeten Bestimmungen nicht kohärent und folglich nicht geeignet seien, das Ziel der Ausbildung junger Spieler zu erreichen: Bei Nachwuchsspielern sollte es sich nicht um Spieler handeln, die aus einem anderen als dem betreffenden Verein stammen.

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