17.08.2011

Verspätete Krankmeldung kann ordentliche Kündigung rechtfertigen

Die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Erkrankung rechtfertigt nach erfolgloser Abmahnung die ordentliche Kündigung. Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer ergibt sich aus dem Gesetz. Sie besteht unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Hessisches LAG 18.1.2011, 12 Sa 522/10
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein am Flughafen tätiges Dienstleistungsunternehmen, das u.a. Flugzeuginnenreinigung durchführt. Der 37-jährige ledige Kläger arbeitete seit Mai 1993 als Vorarbeiter bei der Beklagten. In der Vergangenheit war er wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, meistens wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule. Bereits im Jahre 2003 erinnerte die beklagte Arbeitgeberin ihn schriftlich daran, eine Erkrankung unverzüglich, d.h. möglichst noch vor Dienstbeginn, der Personalabteilung anzuzeigen, damit das Personal anderweitig disponiert werden könne.

Der Kläger zeigte in der Folgezeit zwischen 2003 und 2009 seine Arbeitsunfähigkeit dennoch sechsmal verspätet an und wurde dafür viermal abgemahnt. Im September 2009 meldete der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit wiederum nicht unverzüglich und wurde deshalb vom Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Das ArbG gab der Kündigungsschutzklage statt. Dem Umfang der Fehlzeiten sei keine Indizwirkung für eine negative Prognose gegeben, weil für die Jahre 2006 und 2009 die für die Prognose zu berücksichtigenden Fehlzeiten jeweils unter 30 Arbeitstagen pro Jahr lägen. Zwar lägen Pflichtverletzungen des Klägers vor, allerdings komme diesen nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht das Gewicht zu, um das Arbeitsverhältnis ordentlich oder gar außerordentlich kündigen zu können.

Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG das Urteil auf und wies die Kündigungsschutzklage ab.

Die Gründe:
Die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung aus September 2009 war gem. § 1 Abs. 2 KSchG wirksam, weil sie sozial gerechtfertigt war.

Die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Erkrankung rechtfertigt nach erfolgloser Abmahnung die ordentliche Kündigung. Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer ergibt sich aus dem Gesetz. Sie besteht unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Klägers trotz erhaltener Abmahnungen überwog hier das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Eigenart der vom Arbeitgeber erbrachten Dienstleistung, nämlich der Flugzeuginnenreinigung, bringt es mit sich, dass sie jeweils nur in einem engen zeitlichen Fenster erledigt werden kann. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit der Arbeitgeber den Personaleinsatz kurzfristig anderweitig disponieren kann. Außerdem fiel dem Kläger als Vorarbeiter noch eine herausgehobene Rolle zu.

Die wiederholt ausbleibende Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit verletzte die Geschäftsinteressen der Beklagten in erheblicher Weise. Sie war bei ihrem Geschäft auf in dieser Hinsicht verlässliche Mitarbeiter angewiesen. Im vorliegenden Fall konnte sich die Beklagte allerdings nicht in der für ihr Geschäft notwendigen Weise auf den Kläger verlassen. Demgegenüber schaffte die zugunsten des Klägers zu berücksichtigende langjährige Betriebszugehörigkeit von über 16 Jahren bei Ausspruch der Kündigung kein ausreichendes Gegengewicht, um seinem Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch bei einer ordentlichen Kündigung, d.h. über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus, noch den Vorrang einzuräumen.

Linkhinweis:

Für den in der Landesrechtsprechungsdatenbank Hessen veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Hessisches Landesarbeitsgericht PM v. 17.8.2011
Zurück