18.06.2015

Vorlage an den EuGH: Sind Betriebserwerber an eine dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag gebunden?

Das BAG hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend ausgelegt wird, dass eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, den Betriebserwerber vertraglich so bindet, als hätte er diese Vertragsabrede mit dem Arbeitnehmer selbst getroffen.

BAG 17.6.2015, 4 AZR 61/14 (A) u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1978 als Hausarbeiter in einem Krankenhaus beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.1.1962 (BMT-G II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.

Das Krankenhaus befand sich zunächst in öffentlicher Trägerschaft und wurde 1995 privatisiert. Der erste öffentliche und der erste private Träger des Krankenhauses waren Mitglieder im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). In der Folgezeit kam es zu zwei weiteren Betriebsübergängen; beide Erwerber waren keine Mitglieder im KAV und wandten den BMT-G II nur noch statisch an.

Mit der Klage gegen seine aktuelle Arbeitgeberin begehrte der Kläger die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf sein Arbeitsverhältnis. Er war - anders als die Beklagte - der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf sein Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Arbeitsgericht und LAG gaben seiner Klage statt. Auf die Revision der Beklagten setzte das BAG das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Unionsrecht.

Die Gründe:
Nach Auffassung des BAG ist der Erwerber eines Betriebsteils nach nationalem Recht aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die auf Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug nimmt und deren Regelungen aufgrund privatautonomer Willenserklärungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht hat (sog. dynamische Bezugnahmeklausel), vertraglich so gebunden, als habe er diese Vertragsabrede selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen.

Im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV soll nun geklärt werden, ob dieser Auslegung des nationalen Rechts unionsrechtliche Vorschriften - insbesondere Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - entgegenstehen. Für deren Auslegung sei allein der EuGH zuständig, so der Vierte Senat des BAG.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 33/15 vom 17.6.2015
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