15.05.2013

Werkvertrag oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung? Maßgeblich sind Weisungsrecht und Eingliederung

Ob "Fremdarbeiter" in einem Betrieb Erfüllungsgehilfen eines Werkunternehmers oder Leiharbeitnehmer (mit der Folge eines Equal-Pay-Anspruchs) sind, richtet sich maßgeblich nach ihrer Weisungsgebundenheit und dem Umfang der Eingliederung in die Betriebsorganisation. Fehlt es an einer abgrenzbaren Leistung, so deutet dies auf eine Arbeitnehmerüberlassung hin. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Auftraggeber durch seine Anweisungen den Gegenstand der zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmt.

LAG Berlin-Brandenburg 12.12.2012, 15 Sa 1217/12
+++ Der Sachverhalt:
Die Klägerin war vier Jahre lang bei der Beklagten als Verpackerin mit einem Stundenlohn von zunächst 7,00 Euro, der später auf 6,30 Euro abgesenkt wurde, beschäftigt. Die Beklagte hatte mit der B-GmbH einen "Werkvertrag" geschlossen, wonach die Beklagte "fachgerechte Arbeiten der Fleisch- und Wurstproduktion mit den dazu notwendigen Verpackungs- und Nebentätigkeiten durchführt. Die zu erbringenden Leistungen richten sich nach Bedarf des Auftraggebers und sind in einem Leistungsverzeichnis (Anlage) aufgeführt." Die Vergütung richtete sich nach dem Leistungsverzeichnis "bezogen auf Kilogramm und Stück".

Die Klägerin machte geltend, dass in Wahrheit kein Werkvertrag, sondern eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe. Ihr Vorarbeiter habe sie täglich nach den Anweisungen der B-GmbH zur Arbeit eingeteilt. Sie habe immer wieder mit den Beschäftigten der B-GmbH zusammengearbeitet. Dabei sei sie allein von Vorarbeitern der B-GmbH kontrolliert worden. Diese hätten ihr auch durchschnittlich einmal in der Woche unmittelbar Arbeitsanweisungen erteilt.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen ihrer Vergütung und der Vergütung der mit ihr vergleichbaren Stammarbeitnehmer der B-GmbH. Diese hätten zunächst einen Stundenlohn von 9,05 Euro und später von 9,21 Euro erhalten. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das LAG der Klage statt. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.

+++ Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG einen Anspruch auf gleiche Vergütung wie die mit ihr vergleichbaren Stammarbeitnehmer der B-GmbH. Denn im Verhältnis der Beklagten zur B-GmbH lag weder ein Werk- noch ein Dienstvertrag vor. Die Beklagte hat vielmehr ihre Arbeitnehmer an die Beklagten "verliehen", so dass das AÜG anwendbar ist.

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Werk- bzw. Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung sind das Weisungsrecht und die Eingliederung in den Betrieb:

Richten sich die vom Auftragnehmer (hier: von der Beklagten) zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf des Auftraggebers (B-GmbH), so spricht dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrags und für eine Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers.

Insofern fehlt es an einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer (Beklagten) als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk. Dies deutet auf Arbeitnehmerüberlassung hin, wenn der Auftraggeber (B-GmbH) durch seine Anweisungen den Gegenstand der von dem Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmt und damit Arbeit und Einsatz bindend organisiert. Gleiches gilt für die Abgrenzung zu einem Dienstvertrag.

Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung vor. Die von den Arbeitnehmern der Beklagten zu erbringenden Leistungen richteten sich allein nach dem jeweiligen Bedarf der B-GmbH. Diese hat ihren Betrieb so organisiert, dass sie die hierfür erforderlichen Tätigkeiten mit eigenen Arbeitnehmern, mit Leiharbeitnehmern und mit den Arbeitnehmern der Beklagten erbringt, ohne dass sich insoweit verschiedene Leistungsbereiche abgrenzen lassen. Der Einsatz erfolgt jeweils nach ihren Anweisungen und es fehlt an einem der Beklagten als eigene Leistung zurechenbaren Werk.

+++ Der Hintergrund:
In einer ARD-Reportage vom 13.5.2013 wurde dem Daimler-Konzern eine ähnliche Vorgehensweise vorgeworfen: Der Konzern beschäftige per Werkvertrag Billigarbeitskräfte. Diese stünden mit Daimler-Mitarbeitern am selben Band, verdienten aber weniger als die Hälfte.

Der Daimler-Konzern hat dieser Darstellung inzwischen widersprochen. Der Reporter, der sich in das Unternehmen eingeschlichen habe, habe nicht die gleichen Tätigkeiten ausgeführt wie die Konzernmitarbeiter. Diese seien Facharbeiter und führten demgemäß eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit aus. Daimler widersprach auch der Darstellung, der Journalist habe Weisungen von Daimler-Mitarbeitern erhalten. Wahrscheinlich hätten Mitarbeiter ihm lediglich auf gezieltes Ansprechen Hinweise zu seiner Tätigkeit gegeben.

+++ Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des LAG Berlin-Brandenburg veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

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