17.04.2015

Zum Verhältnis von vertraglich in Bezug genommenen und kraft Tarifbindung zwingend geltenden Tarifverträgen

Finden auf ein Arbeitsverhältnis grds. sowohl vertraglich in Bezug genommene als auch (andere) kraft Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien geltende Tarifverträge Anwendung, ist anhand eines Günstigkeitsvergleichs zu ermitteln, welcher Tarifvertrag zum Tragen kommt. Dabei ist ein sog. Sachgruppenvergleich anzustellen. Ist danach nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individualvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen.

BAG 15.4.2015, 4 AZR 587/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Sein Arbeitsvertrag verweist auf die Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (Ost) in ihrer jeweiligen Fassung. 1995 wurde das Arbeitsverhältnis auf die Deutsche Telekom AG (DT AG) übergeleitet.

Am 25.6.2007 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Noch am selben Tag schloss diese mit ver.di Haustarifverträge ab, die insbesondere höhere Arbeitszeiten und eine höhere Vergütung (bei anderer Zusammensetzung des Gehalts) vorsahen als die bei der DT AG geltenden Tarifverträge.

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die kraft vertraglicher Inbezugnahme geltenden Tarifverträge der DT AG für ihn günstiger und deren Arbeitszeit- und Entgeltregelungen daher grds. weiterhin auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar seien. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das LAG gab ihr überwiegend statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, auf sein Arbeitsverhältnis die Arbeitszeit- und Entgeltbestimmungen aus den Tarifverträgen der DT AG anzuwenden. Diese finden zwar mit Stand vom 24.6.2007 aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin Anwendung. Die Regelungen eines solchen in Bezug genommenen Tarifvertrags kommen aber nach dem in § 4 Abs. 3 TVG verankerten Günstigkeitsprinzip nur zum Tragen, soweit sie gegenüber dem kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstiger sind.

Welche Regelung günstiger ist, ist im Wege des sog. Sachgruppenvergleichs zu ermitteln. Ist nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individualvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen.

Im Streitfall kann nicht festgestellt werden, dass die in den Tarifverträgen der DT AG enthaltenen Arbeitszeit- und Entgeltbestimmungen im maßgebenden Zeitraum günstiger waren als die Regelungen der kraft beiderseitiger Tarifbindung zwingend geltenden Haustarifverträge. Bei dem vorzunehmenden Sachgruppenvergleich können Arbeitszeit und das regelmäßig geschuldete Arbeitsentgelt nicht isoliert betrachtet werden. Sie bilden vielmehr eine einheitliche Sachgruppe. Ändert sich eine der zu vergleichenden Regelungen, ist für den betreffenden Zeitabschnitt ein erneuter Vergleich durchzuführen.

Ist danach - wie hier - im maßgebenden Zeitraum nach den normativ geltenden Tarifverträgen sowohl die Arbeitszeit länger als auch das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Monatsentgelt höher, ist die einzelvertragliche Regelung nicht zweifelsfrei günstiger i.S.v. § 4 Abs. 3 TVG mit der Folge, dass die kraft Tarifbindung geltende Regelung zum Tragen kommt.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 21/15 vom 15.4.2015
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